Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#referendum    08 | 04 | 2016
Blog

Interessen aller Mitgliedsstaaten ernst nehmen - Ukraine und EU brauchen das Abkommen

Das Ergebnis des Referendums in den Niederlanden über das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine war keine Überraschung.

Nach dem die Entscheidung getroffen war, ein Referendum abzuhalten, hatte sich ein "Nein" rasch abgezeichnet. EU-Gegner, die das Abkommen als Projektionsfläche für allen Überdruss an der EU, am politischen Establishment, an der Macht internationaler Konzerne und vielen mehr nutzten, aber auch ausdrückliche Gegner des Abkommens und Kritiker der ukrainischen Politik und Anhänger Putins mobilisierten weit ehrgeiziger als die Befürworter des Abkommens. Es ist nicht einfach, mit dem Ergebnis umzugehen. Referenden dürfen nie auf die leichte Schulter genommen werden. Und alle Politiker sind gefragt, sich dem Votum zu stellen. Das Abkommen mit der Ukraine aufzugeben, kommt für mich nicht in Frage. Dies wäre nicht nur ein Rückschlag für die ukrainischen Bürger, die ihr Vertrauen auf das Abkommen gesetzt haben, das wir nach jahrelanger Vorbereitung beschlossen haben. Es würde auch den Interessen der EU-Bürgern an mehr Sicherheit und Stabilität auf dem Kontinent zuwider laufen.

Seit über zwei Jahren ringen ukrainische Bürger um die demokratische Reform ihres Landes. Die Bewegung des Euromaidan ist die stärkste zivilgesellschaftliche Bewegung für Rechtstaatlichkeit und Demokratie. Nicht militärisch sondern mit dem Erfolg der Reformen können die Ukrainer gegen den Kreml und seine Aggression bestehen. Die Europäische Union unterstützt in diesem Prozess die Anstrengungen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine, denn mit der Erneuerung in unserem größten direkten Nachbarland im Osten gewinnen wir Europäer auch an Sicherheit dazu. Es wäre leichtfertig, den Transformationsprozess in der Ukraine aufs Spiel zu setzten. Dabei will niemand die Bürger der Niederlande vor den Kopf stoßen. Aber ich will auch den Ukrainern nicht das Signal geben, dass sie uns gleichgültig sind. Sie haben, wie viele Osteuropäer auch, den Eindruck, dass sie oft nicht gesehen werden, wie sie sind oder dass sie in der Wahrnehmung des Westens hinter Moskau und Putin verschwinden. 

Das Abstimmungsergebnis beleuchtet auch das Unvermögen oder den Unwillen der niederländischen Politiker, die das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine unterstützt, es aber dann nicht offensiv verteidigt haben. Das gilt für die Regierung, aber nicht nur für sie. Zu spät sind sie aufgewacht und zu defensiv haben sie die Ziele des Abkommens zwischen der EU und seinem großen östlichen Nachbarn klar gemacht. In den Niederlanden wurde ein europäisches Problem sichtbar. Regierungen, die in Brüssel zustimmen, neigen dazu, zu Hause, aus politischer Bequemlichkeit, aus Opportunismus oder weil nationale und lokale Angelegenheiten wichtiger genommen werden, über die EU- Entscheidungen gar nicht zu reden. Oft ist es auch so, dass die EU nur dann verteidigt wird, wenn man mit allem einverstanden ist, obwohl jeder weiß, dass die Europäische Union nur wegen der Fähigkeit zum Kompromiss besteht.  Der fehlende Mut zur Verteidigung, die Lahmheit vieler Politiker, wenn es um die EU geht, trägt zum wachsenden Unverständnis gegenüber unserer Politik bei.  Wir kennen das schon lange. Diese Lahmheit ist gefährlich für die EU. Sie schafft viel Raum für die, die die EU beschädigen oder auseinanderbringen wollen. 

Grundsätzlich muss geklärt werden, wie sich die repräsentative Demokratie und dabei auch das sicher nicht perfekte EU-System mit direkter Demokratie verträgt. Auch direkte Demokratie ist voraussetzungsvoll. Ich halte es für einen falschen Weg, wenn Entscheidungen, die die Bürger aller EU-Staaten betreffen, von Abstimmungen in einzelnen Mitgliedstaaten abhängig gemacht werden. Es ist kaum vorstellbar, dass die EU so dauerhaft funktionieren kann. 

 

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