Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#europawahl    02 | 07 | 2018
Blog

Europawahlen 2019: Zu meinem Verzicht auf eine erneute Kandidatur

Liebe FreundInnen im KV Lüchow-Dannenberg,
Liebe Anne, lieber Stefan, liebe LaVos,
Liebe Annalena, lieber Robert, liebe BuVos,
Liebe KollegInnen in der deutschen Delegation im EP,
Lieber Winfried, liebe KollegInnen im G-Kamin,
Lieber Vorstand der Böllstiftung,
 
 
zunächst einmal möchte ich mich bei denen bedanken, die mich unterstützt und ermutigt haben für eine erneute Kandidatur für die Europawahl 2019. Die Pläne, die ich mit vielen von euch gemacht oder besprochen habe, waren mir ernst. Ich wollte mich in einer entscheidenden Phase für die Zukunft der Europäischen Union noch einmal mit euch ins Zeug legen. Viele von euch wissen, wie wichtig mir dabei auch die Unterstützung für die schwierigen Aufbrüche in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine und der gesamten Nachbarschaft im Osten und Südosten ist und die Arbeit zur Überwindung der Brüche zwischen Ost und West in der EU. Meine Anliegen will ich weiterverfolgen. Ich habe mich aber entschieden, nicht wieder zu kandidieren. Es tut mir leid, jetzt auch einige zu enttäuschen. Mein Schritt hat nicht zuerst mit den deutschen Grünen zu tun. Er hat mit der Ausrichtung unserer Fraktion im EP zu tun. Und damit sollten sich alle mehr beschäftigen, denn das bestimmt auch unsere Europapolitik in Deutschland.
 
In den letzten Monaten ist mein Unbehagen an der politischen Stimmung und Orientierung in unserer Fraktion im Europäischen Parlament gewachsen. Es gibt zum einen eine Reihe von Politikfeldern, die für den Wahlkampf eine große Rolle spielen werden, in denen ich die Entscheidungen der Fraktion immer weniger mittragen kann. Das gilt ganz besonders in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der Handelspolitik und immer mehr in der Flüchtlingspolitik. Dazu kommt, dass ich mit meinem dringendsten Anliegen nicht durchdringe, gemeinsam die Entwicklungen und politischen Verschiebungen in den europäischen Mitgliedstaaten besser zu verstehen und auch die Frage zu klären, was denn unser Anteil am Erfolg der Anti-Europäischen Parteien und Bewegungen ist und was wir falsch machen, wenn diese gewinnen. Das mag auch an mir liegen. Ich komme aber nicht damit klar, dass vielen bei uns in Brüssel erstaunlicherweise die Vorstellung reicht, die irgendwie besseren EuropäerInnen und einfach politischer Gegenpol zu sein. Für mich liegt in diesem Verharren eher ein Grund für die großen Probleme, die wir haben. Für mich macht die Arbeit mit Sitz aber ohne politische Heimat in der Fraktion keinen Sinn. Und deshalb setze ich 2019 nach dann 15 Jahren im Europäischen Parlament einen Punkt.
 
Bis dahin werde ich meine Aufgaben nicht vernachlässigen. Schwerpunkte liegen für mich in der Klimapolitik, der Gesetzgebung für die Autoindustrie und der Energiepolitik. Es wird in den kommenden Monaten auch darum gehen zu klären, ob wir den lange überfälligen Einstieg in die Reform von Euratom schaffen. Im Winter 2018/19 kommen der 5. Jahrestag des Euromaidan, der Invasion der Krim und der Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Und nach den Wahlen in der Türkei am letzten Wochenende müssen wir Grünen auch endlich die Frage beantworten, wie wir in Zukunft die Beziehungen zur Türkei gestalten wollen.
 
Natürlich werde ich mich mit meinen Ideen und nach meinen Möglichkeiten weiter in Deutschland in die Debatte zur Zukunft der EU einbringen. Vertrauen in die europäische Union zurückzugewinnen und der Skepsis und Ablehnung erfolgreich entgegen zu treten, erfordert außer Leidenschaft auch Realismus. Ich werde dabeibleiben, dass sich zwar vieles verändern muss und lässt. Aber Veränderungen in der großen EU erfordern mehr denn je die Bereitschaft zum Kompromiss und nicht mehr Polarisierung.
 
Der Schritt raus aus dem Europäischen Parlament fällt mir nicht leicht. Aber alles hat seine Zeit. Danke schon mal für alles, was auch gerade die NiedersächsInnen mir ermöglicht haben.
 
Eure
Rebecca
 
PS: Das Wichtigste zum Schluss. Gestern war heute noch morgen. Das alles ist nicht nur aber auch eine Frage des Alters. Dazu ein versponnen versöhnlicher Beitrag des wunderbaren Österreichers Hubert von Goisern: https://www.youtube.com/watch?v=XfHIRtAUuMM
 
 


#europawahl   #europa   #europäisches parlament   #zukunft