Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#papst    01 | 12 | 2014
Blog

Eine außergewöhnliche Woche im Europäischen Parlament

Die Plenarsitzung des Europäischen Parlaments war außergewöhnlich. Sie war geprägt vom Besuch des Papstes und der Verleihung des Sacharowpreises für Menschenrechte. Sie begann mit der Einbringung des Misstrauensantrages gegen Jean Claude Junker und endete mit der Abstimmung darüber.

Wie immer, wenn ein Oberhaupt einer Kirche ein Parlament besucht, ist dieser Besuch nicht unumstritten. Doch selbst Kritiker der katholischen Kirche schienen offen und neugierig auf die Rede von Papst Franziskus. Auch ich war gespannt auf diesen Mann, der so klar Partei ergreift gegen Armut und für Gerechtigkeit und der grüne Ideen zum Klima- und Umweltschutz so ernst nimmt.

Nach seiner Rede meine ich verstanden zu haben, warum dieser Mann zum Papst gewählt worden ist. In einer hinreißend klaren Sprache und mit präzisen Gedanken wollte er nicht nur das Nachdenken, sondern ebenso das Handeln für Europa beflügeln. Ich empfehle diese Rede nachzulesen (http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/november/documents/papa-francesco_20141125_strasburgo-parlamento-europeo.html).

Die Rede des Papstes war aber nicht der einzige außergewöhnliche Moment der Plenarwoche.

Der Kongolese Dr. Denis Mukwege hat als Frauenarzt in Nord-Kivu, einer Provinz im Kongo, tausende Frauen und Mädchen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, behandelt. In dem von ihm aufgebauten Krankhaus kümmert man sich nicht nur um die körperliche, sondern auch um die seelische Rehabilitation der Patientinnen, für deren Sache er sich weltweit einsetzt. Mukwege hat eindringlich darüber gesprochen, dass Frieden nicht möglich ist, solange Vergewaltigung systematisch als Waffe eingesetzt wird (http://www.europarl.de/de/aktuell_presse/presse/aktuell/aktuell-2014/aktuell-2014-november/sacharowpreis_mukwege.html). Denis Mukwege verdient den Sacharowpreis für seine Arbeit, die er seit langer Zeit unter großen Risiken für sich selber und seine Familie leistet. Ein voller Plenarsaal honorierte ihn mit Standing Ovations. Auf den Zuschauertribünen jubelten und sangen BürgerInnen des Kongo über den Preis und über die großartige, mutige und auch herausfordernde Rede von Dr. Mukwege. Dieser Mann will seine Ziele weiter verfolgen und sich der Gewalt in seinem Land entgegen stellen.

Besonders gefreut habe ich mich, in unserer Fraktionssitzung die ebenfalls für den Sacharowpreis nominierte Euromaidan-Studentin Ielyzaveta Schepetylnykova wieder zu sehen. Sie ist eine beeindruckende junge Ukrainerin, die sich seit den ersten Stunden des Euromaidan unermüdlich für eine demokratische, freie Ukraine eingesetzt hat und keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht. Mit ihr und dem Leiter der OSZE-Beobachtungsmission in der Ukraine, Alexander Hug, diskutierten wir über das gebrochene Waffenstillstandsabkommen im Osten der Ukraine. Auf die Frage, wie man Russland stoppen könnte, appellierte Ielyzaveta nicht der russischen Propaganda zu glauben. Heftigen Protest erntete sie insbesondere von einem LePen-Abgeordneten. Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass die Ukraine demokratische Strukturen kaum kennt und bei deren Aufbau dringend internationale Hilfe nötig habe. Es ginge dabei nicht allein um Geld sondern sehr oft um Rat und Tat.

Die dritte Nominierung für den Sacharowpreis erhielt Frau Layla Yunus. Die in ihrem Land und darüberhinaus bekannte Menschenrechtlerin ist in Aserbaidschan inhaftiert. Sie und ihr Mann sind trotz schwerer Krankheit zu Unrecht und unter schlimmsten Bedingungen im Gefängnis. Nach Straßburg war Dinara Yunus gekommen, um für ihre Eltern zu sprechen. Und wie! Eine Rede voller Liebe und Zuneigung zu den Eltern, voller Bewunderung, aber auch großer Angst um die Mutter. Bisher hat die Regierung in Aserbaidschan jeden Antrag auf Besuch durch eine Delegation des Europäischen Parlaments verweigert. Wir werden und müssen für Frau Yunus und ihren Mann auf allen Ebenen alles in unserer Macht stehende tun!

Auch Jean Claude Juncker beschäftigte das Plenum. Als Reaktion auf LuxLeaks hatten die rechten Fraktionen im Europaparlament angeführt von der EFDD einen Misstrauensantrag gestellt. Der Antrag scheiterte klar. Auch wir Grünen haben dagegen gestimmt. Wir meinen, dass es besser ist, wenn Juncker bleibt und sich schnellstmöglich an die Arbeit macht: Er muss die Aufklärung von Steuerdumping, -wettbewerb und -flucht in der EU voranbringen. Nicht nur Luxemburg steckt hinter dieser skandalösen Entwicklung. Wenn Juncker nicht stark für Aufklärung und Konsequenzen eintritt, dann wird er, wird die ganze neue Kommission, sich von diesem Makel kaum erholen können. Wenn die neue Kommission jedoch auch gegen den Widerstand von Regierungen der Mitgliedstaaten, ernsthafte Konsequenzen aus LuxLeaks zieht, dann wird diese Kommission am Ende stärker sein.

Jean Claude Juncker präsentierte in der letzten Woche auch seinen Investitionsplan zur Überwindung der Wirtschaftskrise in der EU. Bei allen Schwächen des jetzt vorgestellten bleibt bemerkenswert, dass mit der Vorlage dieses Plans endgültig eingestanden ist, dass allein mit Kürzungen öffentlicher Ausgaben die Krise nicht zu überwinden ist. Unsere Fraktion wird sich an der Debatte um den Juncker-Plan mit eigenen Ideen zur Finanzierungen beteiligen. Und wir werden alles daran setzen, dass die Schwerpunkte des Plans verändert werden. Nachhaltige Entwicklung, Konzentration auf Energiewende und Ressourceneffizienz müssen einen Schwerpunkt der Investitionen bilden. Ein Jahr vor dem Klimagipfel in Paris muss beim Einsatz von Gemeinsamen Geldern umso mehr auf die Richtung der wirtschaftlichen Erholung geachtet werden. In der EU steht die Entscheidung an, ob wir uns für Investitionen entscheiden, die die Klimarisiken erhöhen oder verringern. Es steht angesichts der weiter angespannten Situation mit Russland die Frage an, ob wir uns systematisch aus Importabhängigkeiten lösen, oder nicht. Über die Qualität des Wachstums, das die EU braucht, muss laut und heftig gestritten werden. Denn Investitionen in die Infrastruktur werden über Jahrzehnte unumkehrbar sein.

Heute übernimmt der Pole Donald Tusk die Ratspräsidentschaft. Das ist gut für den Zusammenhalt zwischen Ost und West. Ich gratuliere dem Ratspräsidenten Tusk von Herzen. So grundsätzlich richtig sein Engagement zur Europäischen Energie Union ist, so falsch und rückwärtsgewand ist es, wenn Tusk weiter auf den Mix aus Kohle, Gas und Atom setzen will. Wir Grüne werden dazu so manchen Streit ausfechten müssen.

Und es bleibt spannend: In dieser Woche werde ich mit den anderen Fraktionsvorsitzenden nach Riga reisen zur Vorbereitung der lettischen Ratspräsidentschaft. Und von da geht es dann weiter nach Kiew. Ich führe eine Delegation unserer Fraktion durch die politische Landschaft der Ukraine. Mehr Abgeordnete müssen sich ein Bild der Wirklichkeit machen. Ich reise dann am Wochenende weiter in den Osten der Ukraine, um mir ein Bild von der schwierigen humanitären Lage zu machen.

Nachrichten von meinen Reisen und Begegnungen weiter über Facebook und Twitter.

Mit besten Grüßen für die Adventszeit.

Rebecca

PS: ...und wer immer noch nicht gesehen hat, wie ich zum Fan des jungen Grünen Johannes Steen wurde, dem empfehle ich seine Rede!


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