Zur heutigen Rede der EU-Ratspräsidentin Angela Merkel zur Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vor dem Europäischen Parlament erklärt Daniel Cohn-Bendit, Ko-Vorsitzender der Fraktion Die Grünen/EFA:
"Ohne Umschweife: das Ergebnis des EU-Gipfels ist okay, sogar sehr gut. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat es geschafft, mit allen, die in Europa vorangehen wollen, den Stillstand zu überwinden. Der Text war also in Ordnung, aber die Musik war grausam. Rational ist das Ergebnis eine absolut gelungene Mogelpackung. Und das meine ich positiv. Die Substanz der Verfassung ist drin, die Symbolik draußen.
Die BürgerInnen mögen nun zufrieden sein, dass Europa entschieden hat, aber gleichzeitig sind die BürgerInnen auch ausgeschlossen worden. Emotional ist kein Bürger der EU näher gekommen. Langfristig können wir aber Europa ohne die Beteiligung der Bürger nicht aufbauen.
Etwas kann man nicht akzeptieren: man kann sich aus einer Grundrechteecharta nicht raushalten. Wir wollen daher einen Prozess, der klarstellt: wenn wir Teil der Union sind, dann sind wir auch Teil der Charta. Und wer nicht Teil dieser Wertegemeinschaft sein will, dem bieten wir die privilegierte Partnerschaft an. Es darf nicht mehr eine Tyrannei der Minderheit mit dem Veto geben, das ist zutiefst undemokratisch, Blair hat die Grundrechte-Charta bereits unterschrieben. Das wieder zurückzunehmen, zeigt, dass man Europa nicht ernst nimmt. Daher werden die Grüne eine Kampagne für die Grundrechte-Charta machen, die heißt "We want our rights back!"
Rebecca Harms, Vize-Präsidentin der Fraktion Die Grünen/EFA, erklärte:
"Die schwierigen Verhandlungen haben das Bewusstsein für all das geschärft, was man an Europa hat. Viele Bürger wissen jetzt besser, was auf dem Spiel steht, wenn wir die Europäische Integration aufgeben. Der drohende Verlust ist aber keine Strategie von Dauer. Die positive Besinnung auf Europas Wert wird anhalten, wenn der Europäische Rat aufhört, seine Politik hinter verschlossenen Türen zu machen. Die Vorbereitungen für und die Verhandlungen während der Vertragsstaatenkonferenz müssen transparent und nachvollziebar sein. Der Rat muss sich an der Offenheit des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission ein Beispiel nehmen. Nur so können wir den großen Abstand zwischen Europa und seinen Bürgern dauerhaft überwinden.
Beim Klimaschutz, dem zweiten zentralen Thema der Ratspräsidentschaft, stellen wir fest: Entweder werden wir in der Klimapolitik gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren. Der deutschen Ratspräsidentschaft ist es geglückt, das Thema Klimawandel aus der Nische der weichen Themen zu holen und es unter den harten Politiken angemessen einzuordnen. Allerdings bleibt es bisher weitgehend bei Absichtserklärungen.
Die unter deutscher EU-Präsidentschaft vereinbarten Ziele zu Einsparung, Effizienz, Erneuerbaren Energien sind gut. Aber die Umsetzung bleibt schwierig wie man in der Automobilpolitik sieht. Die Beschlüsse zur Reduzierung der CO2-Emissionen werden von der Autolobby schon wieder in Frage gestellt. Der Paradigmenwechsel von alter Industriepolitik zu moderner Nachhaltigkeitspolitik hat noch nicht stattgefunden. Dieser Konflikt wird als schwieriges Erbe an die portugiesische Ratspräsidentschaft übergeben."
Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft durch die Europagruppe DIE GRÜNEN