Es ist eine spannende Zeit im Europäischen Parlament. Nach der Wahl müssen sich die Fraktionen in Brüssel neu zusammenfinden. Einige Abgeordnete kommen wieder zurück. Andere müssen gehen. Wieder andere sind neu gewählt und entdecken den Brüsseler Kosmos. Ich freue mich sehr, dass ich erneut die Fraktion der Grünen als Vorsitzende leiten darf – gemeinsam mit meinem belgischen Kollegen Philippe Lamberts.
Für uns Grüne war das Wahlergebnis in manchen Ländern sehr positiv, in anderen mussten wir leider Niederlagen einstecken: In Deutschland konnten wir zwar aus dem Tal der Bundestagswahl klettern. Aber im Vergleich zur letzten Europawahl haben wir dennoch verloren. Auch aus Frankreich sind weniger Abgeordnete zurückgekommen als zuvor. Dafür konnten wir uns über Zuwächse in Schweden und Österreich freuen. Ich freue mich außerdem besonders über die Abgeordneten aus den Zentraleuropäischen Ländern wie Ungarn, Kroatien und Slowenien, die unsere grüne Familie im Europäischen Parlament bereichern. Leider werden wir Grüne zu den kleineren Fraktionen im Europäischen Parlament gehören und müssen uns vor allem einer Herausforderung stellen: Der wachsenden Zustimmung zu Rechten und Nationalisten. Eine europaskeptische Gruppe mit den britischen Tories wird voraussichtlich drittstärkste Fraktion im Parlament werden. Wir müssen ein klares Bekenntnis zu Europa dagegen setzen. Für uns ist die Europäische Idee, dass man über Grenzen hinweg seine Interessen gemeinsam vertritt und verteidigt, weiter das beste Kraut, das gegen Nationalismus gewachsen ist.
Leider scheinen die alten Ideen aus den vergangenen Jahrhunderten wieder Zulauf zu bekommen. Denn auch wenn viele Stimmen für die Rechtspopulisten sicherlich Protest gegen die Eurorettungspolitik oder auch nationale Politik waren: Die Idee des Nationalismus bekommt wieder Zulauf. Dagegen müssen wir angehen – eben mit einem klaren Bekenntnis zu Europa, aber auch mit dem Anspruch, die EU zu verändern: Vertrauen zurück zu gewinnen, wird nur gelingen, wenn in der EU auch in der Krise nicht nur Spar- sondern endlich auch Gerechtigkeitsziele verfolgt werden. Und die Debatte um zu viel Brüssel darf nicht nur abgewimmelt werden. Für uns Grüne muss die Verteidigung der Subsidiarität - also das Treffen von Entscheidungen auf einer möglichst bürgernahen Ebene - bei der Daseinsvorsorge und kommunalen Selbstverwaltung ein Schwerpunkt sein.
Wir brauchen endlich eine europäische Energiewende und ehrgeizigen Klimaschutz, der auch Motor für Innovation und zukunftsfähige Jobs sein muss. Wir wollen Investitionsprogramme gegen die hohe Arbeitslosigkeit in einigen Ländern – besonders unter Jugendlichen. Wir setzen uns für eine nachhaltige Reform der Agrarpolitik ein und natürlich werden wir uns auch weiterhin gegen das geplante Handelsabkommen mit den USA einsetzen.
Und wir bleiben dabei: Europa ist kein Mist, sondern eine der besten Ideen, die je in der Politik geboren wurden. Wir wollen sie durch Veränderung bewahren.