Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#klima    15 | 01 | 2009

Wandel des Klimas bei der Debatte um den Klimawandel

Rebecca Harms, 15.01.2009

Die Klima- und Energiepolitik war in der zweiten Hälfte der ablaufenden Legislaturperiode ein dominierendes Thema in Brüssel.


2007 - das Jahr der Erkenntnis
Auf dem EU Ratsgipfel im Frühjahr 2007 hatte die damalige Ratspräsidentin Angela Merkel ihren großen Auftritt. Unter internationalem Jubel verkündete sie, die EU werde bis 2020 den CO2-Ausstoß um 20% reduzieren. Der Anteil Erneuerbarer Energien solle dafür auf 20% anwachsen und die Energieeffizienz um 20% verbessert werden. Das CO2 Reduktionsziel solle im Falle einer entsprechenden internationalen Vereinbarung auf 30% erhöht werden.
Entsprechend wurde die EU auch am Ende des Jahres auf dem Klimagipfel in Bali als Vorreiter in der Klimapolitik wahrgenommen. Man einigte sich auf einen ehrgeizigen Zeitplan, wie man bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen ein Kyoto Nachfolgeabkommen ausarbeiten will, das dann in Kopenhagen verabschiedet werden soll. Es herrschte das Gefühl des Aufbruchs und der Bereitschaft das drängende Problem des Klimawandels gemeinsam anzugehen.


2008 - das Jahr der Bremser
Ein Jahre später im Winter 2008/2009 ist die Euphorie einem Gefühl der Ernüchterung gewichen.
Anfang 2008 hatte die Kommission das so genannte Klimapaket vor, das die im Vorjahr gefeierten Ziele umsetzen sollte. Es enthielt Gesetzgebungsvorschläge zur Revision des Emissionshandelssystems, zur Lastenteilung zwischen den Mitgliedsstaaten, zur Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien und zur geologischen Lagerung von CO2. Wenige Wochen zuvor hatte die Kommission außerdem einen Vorschlag zur Regulierung des CO2 Ausstoßes von PkW vorgelegt, der zeitgleich mit den Teilen des Klimapakets verhandelt wurde.
Die Vorschläge der Kommission gerieten sofort unter Beschuss aus den Regierungen der Mitgliedsstaaten und aus dem Parlament. Die Klimakanzlerin des Vorjahres war von der Bühne verschwunden. Angela Merkel und ihre Regierungskollegen, sowie Mehrheiten der konservativen und große Teile der sozialdemokratischen und liberalen Fraktionen des Europäischen Parlamentes, hatten vor allem das Wohlergehen ihrer heimischen Industrien im Hinterkopf, als sie für Ausnahmen, Verzögerungen, mehr Flexibilität und geringe Strafen kämpften. Der Klimaschutz war aus dem Fokus der Debatte verschwunden.
So machte die EU auch in Poznan, beim Klimagipfel in Polen keine besonders gute Figur. Der Gipfel fand eben in den Wochen statt, als die Verhandlungen um das Klimapaket abgeschlossen wurden. Europa war nicht der visionäre Klimavorreiter mehr, sondern war mit internen Streitereien um die Klimagesetzgebung beschäftigt. Die Entwicklungsländer, die mit Vorschlägen zur Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen nach Polen gereist waren und darauf gehofft hatten in dem Bereich Fortschritte zu machen, wurden bitter enttäuscht. Auch wir reisten ernüchtert und von der Ereignislosigkeit in Poznan fast gelähmt von Polen nach Straßburg.

Hier wurde in der letzten Woche vor Weihnachten das Klimapaket zugeschnürt. Das Ergebnis war ebenfalls ernüchternd. Den Autoherstellern wird in den nächsten Jahren kaum eine Verbesserung der Fahrzeugtechnik abverlangt, fast die gesamte herstellende Industrie wird von der Versteigerung der CO2 Zertifikate befreit und der größte Teil der europäischen Emissionsminderungen kann im Ausland erbracht werden, anstatt die eigene Wirtschaft klima- und energiepolitisch auf einen zukunftsfähigen Kurs zu bringen.
Allerdings sind auch Verbesserungen vorgenommen worden. Alte grüne Forderungen werden nach jahrelangem Druck jetzt in Gesetze gegossen:
Die freie Zuteilung der Emissionszertifikate an die Energieerzeuger, die in den letzten Handelsperioden zu Milliardengewinnen für die Energieriesen geführt hatte, wurde zu Gunsten der vollständigen Versteigerung aufgegeben. Leider sind die neuen Mitgliedstaaten der EU zunächst davon ausgenommen. Auch wenn es uns Grünen nicht gelang das 10% Ziel für Agrosprit zu kippen: Unter Grüner Führung im Europäischen Parlament ist eine Richtlinie entstanden, die das schnelle Wachstum Erneuerbarer Energien in Europa garantiert.


2009 - das Jahr des Green New Deal?
Das Klimapaket ist nicht der große Sprung in eine zukunftsfähige, klimafreundliche Wirtschaftsweise, für den sich die Grünen stark gemacht haben. Wir befürchten, dass die selbst gesteckten Ziele so nicht erreicht werden können. Das ist schlecht fürs Klima und schlecht für die Zukunft der Industrie und des Arbeitsmarktes in der EU. Nur wer heute auf Nachhaltigkeit und den Schutz der Ressourcen setzt, nur wer heute auf effiziente, klima- und umweltfreundliche Produkte setzt, der wird morgen eine Chance haben. Doch das Ergebnis der Verhandlungen zum Klimapaket setzt nicht den Schlussstrich unter die europäische Klimapolitik.
In 2009 muss die EU erneut ihren Anspruch auf die Führungsrolle in den internationalen Verhandlungen formulieren. Wir wollen, dass die EU diesem Anspruch auch gerecht wird und sich für ein starkes Kyoto Nachfolgeabkommen einsetzt. Dafür muss Europa das Versprechen wahr machen, das eigene Klimaziel entsprechend der wissenschaftlichen Erkenntnisse von IPCC zu erhöhen. Und um dies wiederum zu Hause umsetzen zu können, müssen noch entscheidende Verbesserungen an der Gesetzgebung vorgenommen werden.

 

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