Bei meinem Besuch in Griechenland (12. bis 17. Juni) stand die Flüchtlingspolitik neben der Schließung des Staatsrundfunks „ERT“ und einem Besuch in der Goldminenregion bei Thessaloniki im Mittelpunkt.
Es war bereits mein zweiter Besuch im Abschiebeknast Amygdaleza bei Athen. Und leider mussten wir feststellen, dass sich seit November 2012 nichts gebessert hat – im Gegenteil.
Amygdaleza – Zentrum der Gastfreundschaft?
„Zentren der Gastfreundschaft“ – so nennt die griechische Regierung ihre Abschiebelager für Flüchtlinge. Dieser Ausdruck zeigt den ganzen Zynismus, der im Umgang mit Flüchtlingen in Griechenland – aber auch in der gesamten Europäischen Union steckt.
Die Flüchtlinge haben uns bereits am mehrere Meter hohen Zaun erwartet, wollten uns ihre Geschichten erzählen und um Hilfe bitten. Es waren noch mehr Insassen – alles Männer – als letztes Mal und das, was sie uns berichtet haben, war erschreckend: Obwohl ein Catering-Service pro Tag und Flüchtling mehr als fünf Euro bekommt, reichen die Portionen bei weitem nicht aus. Meist besteht ein Essen nur aus Reis und Brot. Ein Flüchtling erzählte, dass er sich regelmäßig etwas um den Bauch bindet, um gegen den Hunger anzukämpfen.
Ein Fall hat mich besonders schockiert: Ein Mann aus dem Südsudan hat uns erzählt, dass er in seinem Land gefoltert wurde. Das wurde ihm sogar offiziell von einer anerkannten griechischen Nichtregierungsorganisation bestätigt. Die Narben an seinen Armen sprachen für sich. Dennoch wird er von den griechischen Behörden wie ein Krimineller behandelt, eingesperrt und bekommt keinerlei Unterstützung für ein ordentliches Asylverfahren. Das darf die Europäische Union nicht zulassen. Es ist zu einfach, dass sich Deutschland und die anderen Staaten hinter Griechenland verstecken. Wir brauchen endlich eine faire Lastenteilung beim Umgang mit Flüchtlingen und Einwanderern!
Der zuständige griechische Staatssekretär beteuerte in unserem Gespräch, wie sehr die Regierung an Verbesserungen in den Lagern arbeite. Allerdings ist davon bisher wenig zu spüren.
Wieder war es der Besuch im Abschiebeknast für Minderjährige, der mich besonders berührt hat. Es war noch dreckiger als beim letzten Mal. Es stinkt wie in einem Stall. Die Toiletten liegen ohne Tür am Ende eines langen Ganges, von dem Zellen abgehen, in denen die jugendlichen Männer eingesperrt sind. Die meisten, mit denen wir gesprochen haben, sind in Griechenland geboren. Sie sprechen fließend griechisch und kennen keine andere Heimat. Sie haben keinen Zugang zu Ärzten, zu Bildung oder Sport. Das widerspricht allen internationalen Vereinbarungen und europäischen Regeln.
Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass solche Kindergefängnisse endlich ein Ende haben!
ERT – Wie reformiert man den griechischen Staatsrundfunk?
Kurz vor meiner Abreise aus Brüssel erklärte die griechische Regierung die sofortige Schließung des Staatsrundfunks ERT. Deshalb krempelte ich mein Programm kurzfristig um und besuchte das ERT-Gebäude, das von Journalisten und Sympathisanten besetzt war. Es war beeindruckend mit wie viel Energie und Durchhaltevermögen die Menschen für ihren Sender kämpften und übers Internet den Sendebetrieb Tag und Nacht aufrechterhalten haben – über Tage! Es war spannend in diesen entscheidenden Tagen dabei zu sein.
Aber: Griechenland braucht eine wirklich durchgreifende Reform des Rundfunks und eine Gesetzgebung, die einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk an Stelle des Staatsfunks setzt.
Bisher nutzten die wechselnden Regierungen gerne ERT zur Verbreitung ihrer Botschaften. ERT hatte bisher kaum Ähnlichkeit mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem wie wir es aus Deutschland kennen und das ich über Jahre als Rundfunkräten beim NDR begleitet habe.
Ich werde diese Entwicklung weiter begleiten und die Grünen im Europäischen Parlament werden versuchen, den griechischen Journalisten weiter Hilfestellung und Unterstützung zu geben. Wir haben Vertreter von mehreren öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalten aus EU-Ländern – Deutschland, Belgien, Frankreich und Portugal – nach Straßburg eingeladen, um dort mit Vertretern von ERT über mögliche Reformschritte zu diskutieren.
Wem gehört das Gold von Aristoteles?
Einen Tag verbrachten wir im Norden Griechenlands in der Region Halkidiki bei Thessaloniki. Hier ist die kanadische Firma „Eldorado“ dabei, Gold- und Kupferabbau vorzubereiten. Es stimmt: Die Region braucht dringend Investitionen. Neben Tourismus und ein wenig Landwirtschaft gibt es nicht viele Jobs. Deshalb sind diejenigen, die in der Mine arbeiten sollen, auch so ungeheuer wütend auf die Gegner des Projekts. Sie fühlen sich bedroht, sie wollen und brauchen Arbeit. Das wurde bei unserem Treffen mit Arbeitern und Gewerkschaftlern sehr deutlich.
Auf der anderen Seite stehen die Kosten für die Region und die Umwelt. Der bisherige Betreiber der Mine hat das Terrain verlassen, ohne sich um die langfristigen Schäden zu kümmern. Viele in der Region befürchten, dass sich die Geschichte nun wiederholen wird. Mitglieder der griechischen Grünen aus der Region und einer Bürgerinitiative haben uns den wirklich wunderbaren Wald gezeigt, der nun der Mine Platz machen soll. Ein Fluss soll umgeleitet werden, ein ganzes Tal soll mit einem Staudamm abgeriegelt und mit giftigem Abraum voller Cyanid gefüllt werden. Schwer zu glauben, dass dies verhältnismäßig sein kann. Dabei geht es um relativ kurzfristigen Abbau, dessen dreckiges Ende die Region auf viele Generationen belasten wird.
Die Kosten für die ganze Region erscheinen mir bisher nicht mit dem Nutzen im Einklang zu sein. Besonders problematisch finde ich, dass in Griechenland alle Regionen mit Bodenschätzen keinen Schutz genießen - egal wie wertvoll die Natur ist.
Der Empfang der Bürger, die sich gegen die Mine stellen, war beeindruckend. Besonders wichtig war mir, ihnen klar zu machen, dass gewaltloser Widerstand der richtige Weg ist. Ich habe von meinen Erfahrungen in Gorleben berichtet und die Menschen ermutigt, weiter zu kämpfen. Befürworter und Gegner müssen in einen Dialog treten.
Wir werden unsere Möglichkeiten in Brüssel nutzen, um eine sorgfältige Bearbeitung der Petition der Bürger von Halkidiki zu erreichen. Und ich werde nach dem Sommer noch einmal in die Region reisen, wenn ich mich noch mehr in die Details des geplanten Bergbaus eingearbeitet habe. Es erscheint aberwitzig, dass am Eingang zum Heiligen Berg Athos der Schutz von Natur und Umwelt zweitrangig ist.