Unsere Bilanz "Halbzeit im Europaparlament" erscheint vor dem Hintergrund großer Umwälzungen. Eine tiefgreifende Krise stellt den Euro und die Europäische Union als Ganzes vor große Herausforderungen: Die europäische Solidarität wird auf einen harten Prüfstein gestellt. Gleichzeitig wächst aber auch das Bewusstsein, dass die Europäische Union viel stärker im Zentrum stehen muss.
Dies spiegelt auch die Grüne Agenda wider: ob Länderrat, Zukunftsforum oder Parteitag im November 2011, im vergangenen Jahr wurde Europa stets prominent thematisiert und weitere Integrationsschritte der EU gefordert – noch lange bevor andere die Fahne eines Europäischen Konvents gehisst haben.
Auch wenn die Berichterstattung in Deutschland von der Krise der Euro-Zone dominiert wurde und damit andere Themen in der öffentlichen Wahrnehmung etwas in den Hintergrund traten, prägten das vergangene Jahr doch eine Vielzahl weiterer Themen: Vor dem Hintergrund der Katastrophe in Fukushima wurde in Deutschland erneut der Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Nicht nur auf europäischer Ebene wird neu über die Sicherheit der Atomkraftwerke in der EU debattiert. Auch in Ländern, wie Italien - wo ein Referendum eine klare Absage an den Einstieg in die Hochrisikotechnologie erteilte - oder in Europas größter Atom-Nation Frankreich findet endlich eine offene Debatte über die Gefahren statt.
Die sich verschärfende Flüchtlingsproblematik – ein Resultat der Revolutionen der Bevölkerung Nordafrikas – kulminierte in der zeitweiligen Einführung von Grenzkontrollen in Dänemark und setzte damit die Freizügigkeit im Schengen-Raum wieder auf die europäische Agenda. Und wir arbeiten weiter daran, unserer Vorstellung von einer nachhaltigen, gentechnik-freien Landwirtschaftspolitik Gehör zu verschaffen.
Mitglieder der Europagruppe GRÜNE verfassten legislative Berichte und starteten Initiativen zu Themen wie Seltene Erden oder die virtuelle Bibliothek für europäische Kulturschätze Europeana, für die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde oder Politikkohärenz in der europäischen Entwicklungshilfe, für die Modernisierung des Öffentlichen Auftragswesen oder das Beschäftigungspotenzial einer neuen, nachhaltigen Wirtschaft.
Die Europagruppe GRÜNE veranstaltete zum Jahresauftakt ihre Reihe "Wo steht Europa?" mit Jacques Delors. Unsere Fraktion lud nach Poznan zur Konferenz "Europa im Wandel", organisierte einen großen Kongress für Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen aus ganz Europa in Berlin. In Frankfurt/Oder und Slubice (Polen) fand die 2. Europäische Grüne Sommeruniversität statt. Und schließlich initiierten die Europaabgeordneten aus Frankreich und Deutschland eine Erste Deutsch-Französische Konferenz. (Den ausführlichen Überblick gibt es hier: mehr).
Im vergangenen Jahr ist viel passiert. Was wir bemerken, ist, dass Europa mit der Krise auch stärker ins Bewusstsein rückt, uns begegnet eine neue Aufmerksamkeit und frisches Interesse. Diese Aufmerksamkeit hat zu lange gefehlt. Sie ist Voraussetzung für das Funktionieren von Demokratie und von mehr Europa so wie wir es wollen. Eine Krise kann auch eine Chance sein.
Reinhard Bütikofer, Sprecher der Europagruppe GRÜNE
Helga Trüpel, stellv. Sprecherin der Europagruppe GRÜNE
Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende Die Grünen/EFA
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