Liebe Delegierte, liebe Gäste,
Lieber Bundesvorstand,
Meine Fraktion freut sich über die Einladung zu dieser Rede. Die Europäische Union geht durch schwierige Zeiten. Es ist gut, dass die Grünen gleich zwei ehemalige Europaabgeordnete an der Parteispitze haben. Und anders als die alten Volksparteien nicht den Stammtischen folgen, wenn es schwierig wird in Brüssel. Über das schlechte Beispiel Angela Merkel will ich heute sprechen. Und wie sie es schafft, die Krise der EU zu verschärfen statt den Weg nach vorn mit zu prägen.
Erst in den jetzt schlechten Zeiten erkennen viele Bürger, wie tief die Verknüpfung der Länder der EU heute ist.
Der Fall des Eisernen Vorhangs war der Moment größter Leidenschaft und größten Vertrauens in die Kraft der europäischen Idee. Der Moment des großen Erschreckens und großen Zweifels war dann der Blick in die wirtschaftlichen und politischen Abgründe der Finanzkrise und deren Folgen für die Architektur und Stabilität des europäischen Hauses.
Manche erschraken über die Erkenntnis, dass die Verknüpfung, die Deutschland und alle Mitgliedstaaten untereinander eingegangen sind, unumkehrbar ist. Andere erschraken, weil die Umkehrbarkeit des europäischen Einigungsprozesses plötzlich wieder in den Bereich des real Möglichen rückte. Ich gehöre zu den Letzteren. Denn es gibt, glaube ich, keinen Zweifel, dass die feste Verknüpfung der europäischen Staaten zu einer Union sich bisher immer wieder als zum gegenseitigen Vorteil und Nutzen erwiesen hat.
Wenn eines in auch und gerade in dieser Krise von uns allen immer wieder gesagt werden muss: Auf sich allein gestellt käme kein Land der EU zu recht – auch kein großes Deutschland. Die "große Schweiz" ist keine Alternative für Deutschland.
Wer das weiß, der darf am Prinzip der europäischen Solidarität keinen Zweifel aufkommen lassen. Bis heute aber spürt man in Brüssel die Erschütterung, ausgelöst durch die Wankelmütigkeit der Bundeskanzlerin, als Griechenland diese Solidarität und Hilfe brauchte. Der Rettungsschirm kam zu spät und wurde deshalb ökonomisch und politisch sehr teuer! Das war Angela Merkels erster Krisenbeitrag: Mehr Kosten, mehr Unsicherheit, weniger Vertrauen, geschwächtes Europa!
Und nun geht es zu Irland gerade so weiter: Der Rettungsschirm wird rausgeholt, dann doch nicht aufgespannt und erklärt wird, man habe gar nicht vorgehabt, ihn in die Hand zu nehmen. Was Frau Merkel nicht kann, können Merkels Männer in Brüssel nicht besser. Den Mut, die Krise gestalterisch für mehr Europa zu nutzen, finden wir dort nicht. Im Gegenteil: Merkels Strategie des latenten Nein zur europäischen Solidarität wird von den Männern, die sie aus ihrer politischen Familie in europäische Spitzenpositionen gebracht hat, Barroso und van Rompuy, mitgespielt. Wer hätte gedacht, dass Dany Cohn Bendit sich mal händeringend im Plenum Helmuth Kohl zurückwünscht. Aber so weit hat Angela Merkel es gebracht.
Mir ist rätselhaft, warum Angela Merkel, die Frau aus der Uckermark, so taub ist für europäische Solidarität. Was innerdeutsche und europäische Solidarität und Aufbauhilfe ist, das kennt sie bestens. Sie müsste auch deshalb wissen, dass es im ureigensten deutschen Interesse ist, dass unsere europäischen Nachbarn nicht verarmen, weil ihnen IWF und EU keine Luft für Entwicklung und für Zukunftsinvestitionen lassen. Sie sollte verstehen, dass Deutschland nicht einerseits U-Boote und Panzer an das bankrotte Athen verkaufen und gleichzeitig fordern kann, den griechischen Sozialhaushalt zu schleifen. So groß die Fehler sind, die in den Krisenstaaten gemacht worden sind und korrigiert werden müssen: Der harten Kritik um dem Rettungsschirm muss die gemeinsame Perspektive auf den besseren Weg folgen. Die Krise von Währung, Finanzmarkt und Wirtschaft ist der Moment für den Aufbau einer Wirtschaftsregierung in Europa.
Wenn wir Grünen JA gesagt haben zum „Rettungsschirm“, dann ist das kein bedingungsloses Ja. Wir sagen auch JA zu unverzichtbaren Reformen in den Mitgliedstaaten und in der EU, weil wir nicht Krisenaufschub sondern Auswege aus der Krise wollen. Europäische Solidarität ist keine Einbahnstrasse.
Duldung von Steuerhinterziehung, Vetternwirtschaft, Privilegienflut in einem aufgeblähten öffentlichen Sektor sind genauso wenig vereinbar mit solidarischer Hilfe aus Brüssel wie die irische Strategie des Steuerdumping und politischen Zuwartens bei der Bankenregulierung. Mehr Europa fängt mit Regeln für vernünftige Haushaltspolitik und Sanktionen bei Verstößen an.
Mehr Europa geht mit einer Angleichung der Steuer- und Wettbewerbspolitik weiter.
Mehr Europa heißt die Finanzmärkte wirklich neu zu ordnen, transparenter und zu machen und europaweit zu regulieren.
Das Versprechen, dass die Verursacher der Krise an den Kosten Der Krisenüberwindung beteiligt werden müssen, ist bei ihr Teil einer dräuenden Rhetorik. Die Finanztransaktionssteuer wäre in der Eurozone machbar.
Angela Merkel, als Befürworterin der FTT: Setzen Sie diese Steuer für den Euroraum durch!
Mehr Europa für ein besseres Leben der BürgerInnen heißt, heute einen gemeinsamen Plan zu schmieden, wie die vor uns liegenden Probleme angegangen werden, wie es mit den Staaten in der EU wieder bergauf gehen kann. Als größtes Land braucht Deutschland mehr Europa - so wie es aussieht braucht es dafür weniger Merkel!
Der Green New Deal, der ökologisch-soziale Umbau unserer Europäischen Industriegesellschaften ist Leitidee und Auftrag unserer EP Fraktion auch gerade in der Krise. Und wer die Strategie Europa 2020 liest, der könnte auf den ersten Blick meinen, da ist ja viel grüne Strategie in Brüssel auf den Weg gebracht. Nachhaltige Wirtschaftsführung, Grüne Jobs, Grünes Wachstum, Respekt vor der Umwelt, klimafreundliche Technologien, smart grids, Ressourceneffizienz und so weiter und so fort...
Wenn da nur nicht immer wieder Frau Merkel und ihre Freunde wären.
Wenn heute „unser“ Kommissar Oettinger in Brüssel versucht, Ziele für erneuerbare Energien in Ziele für „low carbon“ Energieträger umzudefinieren, dann wird mit viel Grünsprech schwarze Energiepolitik vernebelt. Atomkraft ja Bitte! Manche Atomkraftfreunde behaupten ja, das sei gut fürs das Klima. Günter Oettinger macht es sich einfacher: Er findet die Ziele für Klimaschutz zu ehrgeizig. Und will deshalb weiter Kohle und Atom fördern.
Aber nicht nur Günter Oettinger widerruft in Brüssel die Klimapolitik, die Angela Merkel mal mit aufgestellt hat. Norbert Röttgen ist nicht nur in der Laufzeitenverlängerung umgefallen. Seine Auffassung, Brüssel müsse die Klimaziele höher legen, war was für Journalistenrunden. In zwei Wochen gehen die Klimaverhandlungen in Cancún los. Die Europäer gehen mit all den Schwächen und Widersprüchen dorthin, die schon das Scheitern in Kopenhagen befördert haben. Aber wer so beschäftigt ist, den Landesvorsitz in NRW zu erobern, der kann natürlich nicht gleichzeitig einen Kopf für europäische oder globale Anliegen haben. Dass die Europäer ihr Klimaziel nicht angehoben haben, liegt an der fehlenden Unterstützung für Conni Hedegaard, die Klimakommissarin, die alles versucht hat, endlich das CO 2 Reduktionsziel auf 30% zu heben. Aus Deutschland kam keine große Hilfe.
Bei den Bremsern des ökologischen Umbaus will sich auch Ilse Aigner einreihen. Wir Grünen wollen eine Landwirtschaft, die bäuerliche Strukturen sichert. Wir wollen eine Entwicklung des Ländlichen Raumes mit mehr Wertschöpfung rund um die landwirtschaftliche Produktion in den Regionen. Landwirtschaft und Klimaschutz sind vereinbar. Aber Politik muss da steuern. Die Verteidigung der Agrarsubventionen nach altem Muster , so wie Deutschland und Frankreich das wollen, ist schlecht für das Klima, schlecht für die Bauern und schlecht für fairen Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten. Ausgerechnet die Krisenstaaten können, wenn es nach Aigner geht, Fonds für nachhaltige Landwirtschaft oder Erneuerbare Energien nicht mehr nutzen. Das ist wie im Restaurant stehen und nicht essen dürfen. Wenn Aigner und andere sich durchsetzen, dann wird auch über die Landwirtschaftspolitik die Europäische Leitidee des fairen Ausgleichs aufgeweicht. Es ist ein Tiefpunkt Europäischer Förderpolitik, wenn heute Gelder aus dem Landwirtschaftshaushalt eingesetzt werden um einen zu teuren, sehr gefährlichen und unnützen Kernfusionsreaktor zu bauen, wenn gleichzeitig Geld für Projekte der nachhaltigen Entwicklung in den Regionen fehlt.
Vielleicht habt ihr Euch in den letzten Tagen nach so manchen Medienberichten auch schon kopfschüttelnd zusammen mit vielen anderen gefragt ob wir spinnen im Europaparlament, weil sie (wir?) den Haushalt blockieren, weil die mehr Geld wollen. Sie wissen so gut wie alle dass wir sparsam sein müssen, außerdem kann der EU Haushalt keine Schulden machen, und die Haushaltsverhandlungen sind auch nicht wegen geplanter Ausgabensteigerung des EU Haushaltes für 2011 blockiert
Und bei der Blockade des Haushaltes geht es zuallerletzt um Geld. In den laufenden Haushaltsverhandlungen hatte das Parlament den Angeboten des Rates bereits
zugestimmt. Das Problem ist nicht, dass wir nicht sparsam wirtschaften wollen. Uns Abgeordneten geht es um demokratische Entscheidungen. Wir wollen nicht abnicken, was der Rat in Hinterzimmern Brüssels entscheidet. Wir wollen beteiligt sein bei den Planungen der Mittelansätze für die Aufgaben, die mit dem Lissabonvertrag oder den langfristigen Strategien wie Europa 2020 nach Brüssel gegeben sind. Wir wollen nicht mit großen Versprechen und gleichzeitig mit leeren Taschen dastehen. Bei der Blockade geht es nicht um Geld sondern um Transparenz und Demokratie!
Und das zweite Thema sind die eigenen europäischen Einahmen. Die Staaten der EU haben ihre Schicksale über einen Prozess der Jahrzehnte andauert bewusst und zum gegenseitigen Vorteil verknüpft. Die Aufträge, die wir heute von Brüssel aus erfüllen, dürfen nicht immer wieder abhängig gemacht werden davon, ob Antieuropäer und Rechtspopulisten bei den Haushaltsverhandlungen den Daumen runter machen können. Ich denke, dass die Mehrheit der Bürger der EU einer europäischen Finanztransaktionssteuer zur EU-Finanzierung keine Steine in den Weg legen würde.
Liebe Freundinnen und Freunde,
nicht nur für Deutschland auch für Europa gilt: schwarz gelb abwählen ist die Voraussetzung für bessere Zeiten!