Die aktuellen Spekulationen um die Bausteine der neuen Atompolitik in Berlin sind erstaunlich. Auch bei diesem Thema muss gefragt werden, wie verbindlich der Koalitionsvertrag, der zwischen CDU und FDP in wochenlanger Arbeit ausgehandelt und dann unterschrieben wurde, eigentlich ist.
Solange nichts anderes vorliegt, muss die Atompolitik der schwarzgelben Bundesregierung anhand des Koalitionsvertrags beurteilt werden. Wolkige Aussagen von Bundestagsabgeordneten der CDU, die es sich mit den Atomkraftgegnern nicht verderben wollen, oder auch atomkritische Aussagen von Herrn Röttgen ändern erst mal am im Vertrag festgelegten Atomkurs nichts.
Und dieser Vertrag legt nichts fest, was den großen Atomstromerzeugern in Deutschland missfallen könnte. Das Neubauverbot, das schon von rot-grün ins Gesetz geschrieben worden war, soll beibehalten werden. Das tut keinem der Unternehmen wirklich weh, denn in Deutschland ist ein Neubau nirgends geplant oder beabsichtigt.
Dagegen sind die Hermesbürgschaften, die laut Koalitionsvertrag wieder fließen sollen - und natürlich auch für Atomexporte gelten - unbedingt erwünscht in der Branche. Denn auch wenn immer wieder behauptet wird, die Atomkraft sei die wettbewerbsfähigste Methode, Strom zu erzeugen: Ohne staatliche Subventionierung wird es keinen Neubau geben - nicht außerhalb Deutschlands und auch nicht in den Staaten Zentral- oder Südosteuropas, in denen Siemens jetzt mit Rosatom zusammen arbeiten will. Denn die Zusammenarbeit mit Areva beim Bau des Europäischen Druckwasserreaktors in Finnland hat sich zur ökonomischen Katastrophe entwickelt.
Interessant ist, dass sich im Koalitionsvertrag keinerlei Aussage zur Befristung von Laufzeiten findet. Auch das soll im Einvernehmen mit der Atomwirtschaft geklärt werden. Im Wahlkampf wurde verkündet, dass CDU und FDP den Ausstieg aus dem Ausstieg bzw. die Verlängerung von Laufzeiten wollen. Bessere oder sogar höchste Sicherheitsstandards sind neuerdings ein Mantra der Umweltpolitiker der CDU. Damit wird gern jongliert, wenn es um Bedingungen für längere Laufzeiten geht. Was gemeint sein könnte mit den „besten oder höchsten Sicherheitsstandards“, ist ungeklärt. Der Koalitionsvertrag definiert diese nicht.Dies deutet darauf hin, dass die Koalition die gegenwärtigen Sicherheitsstandards für ausreichend hält.
Und dann ist da noch das Versprechen im Falle von Laufzeitverlängerungen die Milliardengewinne aus dem Betrieb der abgeschriebenen AKWs abzuschöpfen und in die Energiewende bzw. die Forschung dafür zu investieren. Leider sagt der Koalitionsvertrag nichts über die Höhe der Abschöpfungen. Dafür enthält er aber die Vereinbarung, dass diese Gelder eben nicht nur den Erneuerbaren Energien sondern dem allgemeinen Haushalt zufallen können.
Obendrauf bekommt die Atombranche dann noch das Ende des Gorlebenmoratoriums. Ohne Klärung der Folgen aus dem GAU im Versuchsendlager Asse, ohne Klärung der Verantwortlichkeiten für die großen Probleme in der Asse und im Endlager Morsleben, soll in Gorleben zur Tagesordnung übergegangen werden. Wenn die Chefs der Atomindustrie jetzt noch maulen, dann ist das rein taktisch begründet. Denn ganz offensichtlich kriegen sie alles, was sie für Deutschland wollten und die Hermesbürgschaften noch dazu!