Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#gentechnik    01 | 04 | 2008

Zulässigkeit des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais im niedersächsischen Biosphärenreservat Elbetal

Anfrage vom 1. April 2008:

Im Gebiet des UNESCO-Biosphärenreservats „Niedersächsisches Elbetal“ ist an zwei Standorten der Anbau von gentechnisch veränderten Maissorten (MON810) angemeldet worden. Die Flächen liegen im Deichvorland der Elbe in der Gemeinde Langendorf, Gemarkung Laase, in dem durch das Biosphärenreservatsgesetz streng geschützten Gebietsteil C. Die Flächen sind Teil eines Naturschutzgebiets sowie als FFH- und Vogelschutzgebiet nach EU-Recht ausgewiesen. Zudem handelt es sich um Überschwemmungsgebiete.

1. Ist der Kommission ein ähnlicher Fall des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen in einem NATURA-2000-Gebiet in Europa bekannt? Wenn ja: Wie wurde dort entschieden?

2. Ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in einem FFH- und/oder Vogelschutzgebiet zulässig? Wenn ja: Bestehen besondere Einschränkungen bzw. Bedingungen?

3. Müssen zusätzliche Vorgaben – vor allem in Bezug auf Abstände – eingehalten werden, wenn die Anbauflächen für gentechnisch verändertes Saatgut in einem Überschwemmungsgebiet liegen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit von Sommerhochwassern überflutet wird, sodass Saatgut und Pflanzen abgeschwemmt und in weit entfernte Gebiete verbreitet werden könnten? Wie ist in diesem Fall nach Meinung der Kommission eine Kontaminierung anderer Anbauflächen einzuschätzen und gegebenenfalls zu verhindern?

4. Ist in den der Kommission bekannten Fällen eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden? Wie bewertet die Kommission die Ergebnisse?

5. In FFH-Gebieten ist der Einsatz von Pestiziden in der Regel durch die zuständigen nationalen Behörden eingeschränkt zugelassen. Betrachtet die Kommission die gemeldeten Anbauvorhaben mit Maissorten, die durch gentechnische Manipulationen bereits Pestizide in sich tragen, als Pestizid-Einsatz und damit als Verstoß gegen die Beschränkungen?

 

Antwort von Herrn Dimas im Namen der Kommission vom 26. Mai 2008:

Die Verwaltung der Natura-2000-Gebiete und die vorschriftsmäßige Anwendung aller einschlägigen Bestimmungen der Habitat-Richtlinie(1), im vorliegenden Fall insbesondere von Artikel 6, ist Sache der Mitgliedstaaten. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass sich die natürlichen Lebensräume und Habitate bestimmter Arten in diesen Gebieten nicht verschlechtern und dass Pläne und Projekte, die erhebliche Auswirkungen auf diese Gebiete haben könnten, angemessen daraufhin geprüft werden, ob sie deren ökologisches Gleichgewicht nicht beeinträchtigen. Die Mitgliedstaaten müssen die Kommission nur dann informieren, wenn Ausgleichsmaßnahmen getroffen oder prioritäre Arten bzw. Lebensräume geschädigt werden. In dem von Ihnen angesprochenen Fall bestehen bei der Anpflanzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in der Nähe eines Natura-2000-Gebiets keine besonderen Verpflichtungen, die Kommission zu informieren.

Der allgemeine Rechtsrahmen zum Schutz der Natura-2000-Gebiete vor nachteiligen Auswirkungen ist im vorangegangenen Abschnitt umrissen. Alle spezifischen Bedingungen für den Anbau von GVO in besonderen Schutzgebieten wie z. B. den Gebieten des Natura-2000-Netzes können nur in den Genehmigungen für die jeweilige GVO im Rahmen der GVO-Rechtsvorschriften(2) festgelegt werden. Für den Anbau von GVO in Natura-2000-Gebieten oder in deren Nähe wurden jedoch bislang keine derartigen Bedingungen festgelegt.

Was die Verbreitung von GVO in die Umwelt durch Überschwemmungen oder auf andere Weise betrifft, so ist zwischen den ökonomischen und den ökologischen Aspekten zu unterscheiden. Die ökonomischen Aspekte des Anbaus von GMO in der Nähe anderer Pflanzen werden von den Mitgliedstaaten geregelt. Gemäß Artikel 26a der Richtlinie 2001/18/EG können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern. Hierzu zählen z. B. Sicherheitsabstände, Pufferzonen oder Fruchtfolgen. Die ökologischen Aspekte der Verbreitung von GVO in die Umwelt werden, wie bereits oben erläutert, durch Einzelgenehmigungen der Kommission geregelt. Bislang wurden keine besonderen Umweltrisiken in Bezug auf die mögliche Verbreitung von GVO durch Überschwemmungen festgestellt, und dementsprechend wurden auch keine einschlägigen Bedingungen festgelegt.

Der Kommission ist nicht bekannt, ob eine Verträglichkeitsprüfung im Rahmen von Natura 2000 durchgeführt wurde. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, die Kommission über jede dieser Prüfungen zu informieren.

GVO, die Pestizide (wie etwa das Bt-Toxin) enthalten, dürfen nur nach den Verfahren und Kriterien der Richtlinie 2001/18/EG zugelassen werden. Die Freisetzung solcher GVO in die Umwelt gilt nicht als Pestizideinsatz und unterliegt demnach auch nicht den EU-Vorschriften für Pestizide.

(1)    Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992.
(2)    Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel.


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