Morgen wird das Europäische Parlament über das so genannte "Telekom-Paket" abstimmen. In der ersten Lesung des Trautmann-Berichts hatte das Parlament den mittlerweile weithin bekannten Bono/Cohn-Bendit-Änderungsantrag "138" angenommen. Dieser forderte, dass Nutzern ihr Internetzugang ohne eine vorherige Autorisierung durch eine gerichtliche Instanz nicht gesperrt werden darf. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy wollte dagegen, die Internetanbieter dazu verpflichten, die Verbindungen von Internetusern, die unter dem Verdacht der Urheberrechtsverletzung stehen, zu kappen - selbst ohne richtige Beweise.
Über diesen wichtigen Punkt sollte morgen separat entschieden werden, doch politische Tricksereien haben nun dazu geführt, dass der Gesamtkompromiss, der zwischen Parlament und Rat ausverhandelt wurde, zuerst abgestimmt wird. Wird dieser angenommen wäre eine Abstimmung über den ursprünglichen Änderungsantrag "138" überhaupt nicht mehr möglich. (1)
Rebecca Harms, Vizepräsidentin der Grünen/EFA-Fraktion, wird deswegen morgen im Plenum verlangen, dass die Europaabgeordneten über diesen Punkt separat und unabhängig abstimmen können - so wie es ursprünglich vorgesehen war. Zu diesen Entwicklungen erklärt Rebecca Harms:
"Nur eine gerichtliche Instanz sollte über den Entzug eines Internetzugangs entscheiden dürfen. Eine große Mehrheit der Europaabgeordneten hat diesen Standpunkt mit der Annahme des Bono/Cohn-Bendit Änderungsantrags bestätigt. Sie dürfen jetzt nicht durch politische Tricks davon abgehalten werden, über diesen entscheidenden Punkt erneut abzustimmen.
Die großen Fraktionen werden dem Rat gegenüber hasenherzig und wagen es nicht, den Angriff von Nicolas Sarkozy auf EU-Institutionen und Gemeinschaftsrecht entschieden zurückzuweisen.
Die Gesetzgebung soll die Regulierung des gesamten Telekommunikationsmarktes regeln. Die notwendige Neuregelung des digitalen Urheberrechts muss an anderer Stelle durchgeführt werden.. Die Grünen fordern deshalb die Kommission auf, einen Vorschlag zum Schutz des Urheberrechts vorzulegen, der den Anforderungen des digitalen Zeitalters entspricht. Eine 'Flatrate' für kulturelle Güter wäre der richtige Schritt. Autorenrechte dürfen nicht als Vorwand benutzt werden, die Rechte von Internetnutzern mit Füßen zu treten."
Anmerkungen
(1) Dieser Änderungsantrag wurde ursprünglich von einer Gruppe von Abgeordneten, angeführt vom Ko-Präsidenten der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, für die erste Lesung eingereicht: der Änderungsantrag trug damals die Nummer "138". In der zweiten Lesung wurde es vom Industrieausschuss und mehreren Fraktionen inklusive der Grünen für die Plenarsitzung eingereicht.