Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#referendum    25 | 06 | 2008
Blog

Denkpause nach irischem Referendum

Die bisherigen Reaktionen aus der europäischen Politik – sowohl aus den Hauptstädten der Mitgliedstaaten als auch aus Brüssel – sind nicht ausreichend. Das dritte Nein aus einem der schon langjährigen Mitgliedstaaten kann nicht mit einem „Weiter so!“ beantwortet werden. Auch wenn ich selber sehe, dass wir dringend die demokratischen Reformen des Lissabonvertrages brauchen: Drohungen an die Irischen Bürger, besonders wenn sie von französischen Politikern vorgetragen werden, sind absurd und falsch. Selbst wenn man sich im Rat auf eine Fortsetzung der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages verständigt, bleibt eine wichtige Erkenntnis über die Probleme in der EU damit unberücksichtigt: Rat, Kommission und Europäisches Parlament, die viele Entscheidungen für fast alle Bereiche des Alltags und des Lebens der EU-Bürger treffen, sind für dieselben Bürger nicht greifbar, nicht präsent. Aus der Entfernung zwischen z.B. Dublin und Brüssel wird immer mehr eine Entfremdung. Wer Europa will, der muss mehr für die alltägliche Verständigung über gemeinsame Politik in Europa tun. Denn wenn diese Verständigung nicht gelingt, dann helfen auch die institutionellen Reformen nicht. Zumindest nicht gegen den Vertrauensverlust unter immer mehr Europäern, wenn es um Brüssel geht. Irland sollte als ein weiteres Signal gelesen werden, dass wir uns anders und stärker als bisher um dieses Vertrauen bemühen müssen.

Die Fortsetzung der Ratifizierung kann als Probe auf die Lage verstanden und akzeptiert werden. Die Verständigung über die weitere Integration der EU mit den Europäischen Bürgern darf aber nicht beiseite geschoben werden.
Die EU-Bürger können mit eine paar Problemen unter den Bedingungen von Nizza leben. Für eine Interimszeit macht das keinen großen Schaden. Aber das Vertrauen der Bürger in die EU und ihre Institutionen darf nicht weiter strapaziert werden indem man sich über Referenden einfach hinweg setzt. Eine Zeit echten Nachdenkens und eine Zeit echter Verständigung zwischen Brüssel und seinen Bürgern, zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten, zwischen Kommission und Rat kann nur nützen.


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