Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#klima    21 | 12 | 2009
Blog

Zurück aus Floppenhagen

Es ist der zweite Morgen nach dem Ende des Kopenhagener Klimagipfels. Schnee und Kälte rund ums Haus und die Ruhe des Wendlands schaffen Distanz zu den Aufregungen der letzten zwei Wochen. Nicht dass wir Grünen optimistisch nach Kopenhagen gefahren wären! Aber hätte mir vorher jemand gesagt, dass wir nur knapp am endgültigen Scheitern der UN Klimakonferenz vorbeischrammen würden, dann hätte ich das als Miesmacherei angesehen.

Zugegeben: Die große Demonstration am ersten Wochenende während der Konferenz hatte eher optimistisch gestimmt. Unsere dänischen Freunde hatten vorher erklärt, mit den erwarteten 30.000 Teilnehmern würde Kopenhagen die größte Demonstration aller Zeiten erleben. Der Jubel war riesig als die Polizei die Zahl der Menschen, die bei eisigem Wind zum Bella Center marschierten, auf 100.000 schätzte. Der Verlauf der Beratungen und Verhandlungen zeigte dann, wie wichtig der Protest und der damit verbundene Appell an die Politik war und bleibt.

Bis zum Eintreffen der Heads of States, der Präsidenten und Regierungschefs der 190 teilnehmenden Staaten, hatte sich auf dem Gipfel so gut wie nichts bewegt. Die Ankunft der großen Tiere war nicht inhaltlich, dafür aber organisatorisch vorbereitet worden. Tag für Tag waren weniger Beobachter zugelassen. Die Hallen des Bella Center leerten sich. Sicherheitsmaßnahmen und Polizeistrategie schienen allerdings die dänische Regierung genauso zu überfordern wie die inhaltliche und strategische Vorbereitung der Verhandlungen. Es blieb die Hoffnung, dass die politische Elite der Welt sich doch nicht versammeln würde um einen Misserfolg zu organisieren.

Und auch noch jetzt, mit distanziertem Blick zurück, ist es schwierig das alles wirklich zu verstehen und zu erklären. Denn es gab ja unter all den Staatenlenkern fast niemanden, der nicht die Notwendigkeit und die Dringlichkeit des gemeinsamen Handels beschworen hätte. Und trotzdem scheint es das Schwierigste überhaupt, ein gemeinsames verbindliches Vorgehen gegen die Erderwärmung und die Ursachen zu vereinbaren. Die drei großen Kräfte, die den Gipfel hätten bewegen können, verharrten in gegenseitiger Blockade. Die Einen misstrauen den Chinesen, die Anderen weiterhin den USA. Von den Europäern hätten viele Führung erwartet nach jahrelanger selbstgefälliger Ankündigung. Und keines der großen Tiere der drei Mächte hat es so im Kreuz, den Sprung nach vorn zu wagen. Von wegen "Einer für Alle und Alle für Einen"! Trotz aller Beschwörungsformeln waren wir weit entfernt von solidarischem Aufbruch. Zwei Tage lang waren wir - die wir als Beobachter im Bella Center bleiben durften - Zuschauer eines kleinmütigen Prozesses. Der Egoismus einzelner Staaten und die Egozentrik einzelner Personen waren stärker als die Einsicht. Wir haben alles, was notwendig ist für Klimaschutz und Nachhaltige Entwicklung. Wir wissen alle, was zu verändern ist, wir wissen, wie wir uns neu organisieren müssen, wir haben neue Technologien, wir haben die Ideen, die es braucht, damit es für mehr Nationen und Menschen eine bessere Entwicklung gibt. Und trotzdem setzten wir das Neue nicht durch.

In einem Jahr darf das große Scheitern nicht weiter gehen. Dafür ist vieles zu tun.

Als Europäische Grüne ist es zunächst unsere Aufgabe uns mit der Verweigerung der Europäer zu beschäftigen. Wie kann es ein, dass Einsicht und Handeln soweit auseinanderklaffen? Wie kann es sein, dass unsere Vorderen immer wieder den Untergang der Welt ausmalen um dann fast nichts dagegen zu tun? Wir werden im Januar die Anhörungen für die neuen Kommissare schwerpunktmäßig zur Klimapolitik gestalten. Rat und Kommission müssen sich rechtfertigen und klären, wie sie beim nächsten Gipfel in Mexiko einen Erfolg erreichen wollen. Alles, was unsere europäischen Parlamente können, um Einfluss auf die Strategien der USA oder China zu bekommen, müssen wir versuchen. Es kann nicht sein, dass die großen Mühen der UNO am Ende an der neuen alten Starrsinnigkeit von Großmächten scheitern. Die Politiker, die mehr erreichen wollen als das Ergebnis von Floppenhagen, die Nichtregierungsorganisationen, die weltweit für die Durchsetzung der nachhaltigen Entwicklung kämpfen, müssen mit einem gemeinsamen Ziel nicht erst in Mexiko antreten. Der Erfolg von Mexiko hängt an unser aller Arbeit in unseren Ländern in den nächsten Monaten. Es sind nur 11 Monate bis zum nächsten UN-Klimagipfel. Eines haben wir in Dänemark in vielen Debatten feststellen können: Es wird wohl nicht die Angst vorm Untergang sein, die das Neue in Gang setzt. Es sind eher die positiven Aussichten auf gute Veränderungen, auf die sanfteren Wege, auf neue Technologien mit weniger Risiko, auf gerechtes Teilen und gemeinsame Verantwortung, die die Menschen bewegen.

Ich wünsche schöne Weihnachtstage und einen guten Jahreswechsel! Gut ausgeruht geht es dann 2010 weiter.
 
PS: Connie Hedegaard, designierte EU-Kommissarin für Klimaschutz, hatte erklärt, der Gipfel und seine Teilnehmer hätten die Wahl zwischen „shame“ (Schande) und „fame“ (Ruhm). Sie wird viel erklären müssen über Europas Weg von der Führungsrolle in die beschämende Ecke. Und dazu, wie wir da wieder rausfinden.


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