Rebecca Harms lobt das Europa, das aus den Römischen Verträgen entstanden ist. Von Petra Rückerl.
60 Jahre Römische Verträge - was ist geblieben?
Es ist viel mehr Positives auf dem Kontinent passiert, als die Gründungsväter hoffen konnten. Man konnte damals nicht sicher sein, dass so viele Menschen auf diesem Kontinent 60 Jahre später in Freiheit, Demokratie und Frieden leben würden.
Wurde von vornherein zu sehr auf Wirtschaft gesetzt?
Hinter dem europäischen Binnenmarkt steckt ja eine Idee. Wenn die Nationen ihre harten wirtschaftlichen Interessen gemeinsam wahrnehmen und dafür gemeinsame Regeln aufstellen, bekriegen und massakrieren sie sich wegen dieser Interessen nicht mehr. Die Idee hat funktioniert. Dass man sich mit der Entwicklung des Marktes immer wieder beschäftigen muss und dass es Regulierungen gibt, ist klar. Da hat sich die EU auch weiterentwickelt.
Wie würde Deutschland ohne EU aussehen?
Das Deutschland, das ich lieben gelernt habe, dieses weltoffene, tolerante Land, das sich verantwortlich der Welt und Europa gegenüber verhält, gäbe es so nicht. Nach 1989 wäre die deutsche Vereinigung ohne die Einbettung in die politisch starke Union nicht möglich gewesen. So wie Deutschland gewachsen ist, so ist auch die EU auf Grundlage der Verträge gewachsen. Dass diese Entwicklung auch immer Kompromisse erfordert hat, damit muss man nicht immer zufrieden sein.
Brexit, Populisten, Flüchtlinge, Trump, aber auch Unverständnis der Bürger setzen der EU zu. Muss sich etwas ändern?
Es muss sich an beiden Enden dieser Debatte etwas tun. Es wäre gut, wenn der Jahrestag der Römischen Verträge und auch die Vorlage des Papiers von Junker über mögliche Zukunftsszenarien der EU von den Bürgern sehr ernst genommen werden. Es braucht eine Vergewisserung der Bürger über das, was erreicht worden ist. Auf der anderen Seite gehört dazu, dass sich auch die Politik auf diese Vergewisserung einlässt. Und zwar nicht nur die Europapolitiker in Rat und Parlament und Kommission, sondern die Politiker auch der Nationalstaaten. Es ist unsere Aufgabe, einerseits zu erklären, was ist, andererseits mit den Bürgern aber auch darüber zu reden, was sein könnte. Ich glaube, man kann die EU nur zum Guten weiterentwickeln, wenn man erkennt, wie viel schon geschafft worden ist. Und wenn man bereit ist, trotz der Schwächen Folgendes zu sehen: So viel Gutes ist zwischen Staaten nie in einer solchen Geschwindigkeit entwickelt worden. So ein robustes demokratisches Projekt jenseits der Nationalstaaten hat es bisher nirgendwo gegeben. Und das lohnt es zu verteidigen.