Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#litauen    20 | 03 | 2017
Blog

Reisebericht Litauen

Vom 9. bis 11. März 2017 war ich zu Besuch in Litauens Hauptstadt Vilnius und in Rukla. Neben Treffen mit Ministern und mit der regierenden Partei, nahm ich auch an den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag teil und besuchte die deutschen Soldaten in Rukla .

In der letzten Woche besuchte ich Litauen zum ersten Mal seit dem Wahlerfolg der Partei "Bund der Bauern und Grünen Litauens ", zu der auch mein Fraktionskollege Bronis Rope gehört. Diese stellen seit der Wahl die größte Fraktion im litauischen Parlament und entscheiden über die Zusammensetzung der Regierung. Ich habe den Premierminister, den Präsidenten des Parlaments, den Umwelt- und den Energieminister getroffen, an einer Fraktionssitzung der "Farmer und Grünen" teilgenommen und besuchte die NATO Brigade in Rukla. Zwei Themen tauchten in allen meinen Gesprächen wieder auf: Das weißrussische Atomprojekt in Ostrovets, das sich nur 40km von Vilnius entfernt befindet und die Sicherheitslage des Baltikums angesichts der aggressiven antieuropäischen Politik Wladimir Putins.

Weißrussland betreibt bislang keine Atomreaktoren, plant nahe der litauischen Grenze nun aber in Rekordzeit mindestens zwei - vielleicht später aber noch zwei weitere - russische Reaktoren zu bauen. Die ersten beiden Reaktoren sollen 2020 ans Netz gehen. Verpflichtungen der grenzüberschreitenden Konsultation unter der Espoo-Konvention werden nicht beachtet. Der Widerstand gegen den Reaktorneubau im weißrussischen Ostrovets hat viel Unterstützung in der litauischen Gesellschaft. 2012 hatte sich eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gegen eine Zukunft der Atomkraft im eigenen Land ausgesprochen. Nun wird von der neuen Regierung erwartet, für diese Sorgen der litauischen Bevölkerung wegen des Reaktorneubaus nahe ihrer Grenze in Minsk und Brüssel Gehör zu finden. Das wird nicht einfach werden. Zusammen mit anderen Abgeordneten plane ich im April eine Reise nach Minsk und nach Ostrovets, um mit den Verantwortlichen vor Ort zu sprechen.

Die Sicherheitslage des Baltikums und die lang erwartete und geforderte Präsenz der Nato war ein weiteres wichtiges Thema meiner Reise. Der Premierminister betonte in unserem Gespräch wie wichtig und erleichternd es für seine Landsleute sei, dass die Nato nun wirklich Verteidigungsbereitschaft im Baltikum zeige. Litauen steht zu den Sanktionen gegen Russland und eine klare Unterstützung der Ukraine. In der jetzigen Unterstützung des Baltikums gerade aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden erkenne man nicht nur die Bedeutung der Solidarität der Nato, sondern auch den europäischen Zusammenhalt.

Mit der großen und unbefristet beschlossenen Präsenz am Standort in Rukla – und zwei weiteren Standorten in Lettland und Estland – zeigt die NATO das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges ihre Verteidigungsbereitschaft und Solidarität mit Mitgliedstaaten. Am Standort war offenkundig, dass die positive und freundschaftliche Haltung der litauischen Soldaten und der Bürger, den Stationierten aus den drei EU Ländern gut tut. Es schien mir, dass in dieser Stationierung europäische Annäherung und Integration stattfinden, ohne dass das das formulierte Ziel wäre. 

Schließlich nahm ich noch an der Feier zum Unabhängigkeitstag im Parlament teil. Unter vielen einzelnen Rednern fielen die auf, die an die Tage und Stunden vor dem Durchbruch für den Austritt aus der Sowjetunion als Augenzeugen erinnerten. Besonders war, dass der wichtigste Gastredner aus Moskau kam, der damals für die Verhandlungen die Verantwortung hatte. Genday Burbulis wurde im Ural geboren, aber seine Familie stammt aus Lettland. Er sprach in seiner Rede indirekt die neue aggressive Politik Moskaus an, sprach von dem alten Virus, der noch nicht wirklich  überwunden sei. Für Litauen waren eine Schülerin und eine Studentin wohl die wichtigsten Rednerinnen. Sie versuchten, aus der Erinnerung eine Brücke ins heute und in die Zukunft zu schlagen. Beide verlangten mehr Anstrengungen, um die andauernde Abwanderung, das Schrumpfen Litauens anzuhalten.  Auffallend auf der Bank der Ehrengäste war, dass ich die einzige Politikerin aus dem Westen war.  Sonst waren Polen, Georgien und Republik Moldau vertreten.

In allen Teilen des Besuches war es ein wunderbares Erlebnis, dass politische Freunde, die ich in den letzten Jahren in Litauen kennengelernt habe und deren Wahlkampf ich unterstützt habe, jetzt das Land regieren. Sie tun das voller Enthusiasmus und mit allergrößtem Engagement. Chapeau! 


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