Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#atom    29 | 06 | 2011

Rebecca Harms im "Bericht aus Brüssel": EU finanziert Schrottreaktoren

Der Text ist der Website des WDR entnommen (http://www.wdr.de/tv/bab/sendungsbeitraege/2011/0629/atomkraft.jsp). Autorin des Beitrags ist Ruth Reichstein.

 

Das Video zum Bericht finden Sie hier: http://www.wdr.de/themen/global/webmedia/webtv/getwebtvextrakt.phtml?p=25&b=191&ex=2

 

EU finanziert Schrottreaktoren

 

Sendetermin: Mittwoch, 29. Juni 2011, 21.55 - 22.10 Uhr.

 

In Berlin feiert die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie als großen Erfolg. In Italien stimmt die Mehrheit der Bevölkerung in einem Referendum gegen den Neubau von Atomkraftwerken. Und in der gesamten Europäischen Union reden die Politiker von der Förderung erneuerbarer Energien.

 

Gleichzeitig aber fördert die Europäische Kommission mit Millionen den Ausbau ukrainischer Hochspannungsleitungen, die dann den billigen Atomstrom in die EU-Länder bringen sollen. „Doppelmoral“, nennt das Markus Trilling von der Nichtregierungsorganisation Bankwatch, die diese Förderung in Höhe von 650 Millionen Euro aufgedeckt hat. „Seit sechs Jahren beteiligen sich die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung am Ausbau der ukrainischen Stromnetze – in einem Land, das noch immer mit den Folgen der Tschernobyl-Katastrophe zu kämpfen hat“, sagt Trilling.

Energiekommissar Oettinger nimmt nicht Stellung

 

In der Ukraine liefern nach wie vor vier Atomkraftwerke vom Typ Tschernobyl Strom. Eigentlich hatte die Ukraine in ihrer Energie-Strategie vorgesehen, sieben der 15 Reaktoren im Laufe der nächsten Jahre abzuschalten. Aber nun will die Ukraine die Reaktoren länger laufen lassen und den so produzierten Atomstrom über die neuen Leitungen auch in die EU liefern. „Die EU zahlt einerseits Millionen für die Aufräumarbeiten in Tschernobyl. Andererseits investiert sie in unsichere und hoch riskante Kraftwerke“, beklagt die grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms. Sie setzt sich seit Jahren dafür ein, aus der Atomkraft auszusteigen. „Und das gilt nicht nur für die EU-Staaten, sondern auch für die Ukraine. Wir können nicht bei uns aussteigen und das Risiko einfach auslagern“, sagt die Politikerin.

 

Sie hat eine Anfrage beim zuständigen Energie-Kommissar Günther Oettinger gestellt. Sie will von dem deutschen EU-Kommissar wissen, wie er die risikoreiche Förderung erklärt. Bisher hat sie noch keine Antwort bekommen und auch auf unsere Fragen will die Pressesprecherin von Kommissar Oettinger nicht direkt antworten. Marlene Holzner stellt nur fest, dass sich bisher nur eine Minderheit von EU-Staaten gegen die Atomkraft ausgesprochen hat. „Dagegen kann auch Deutschland nichts machen. Jedes Land kann selbst entscheiden, ob es Atomstrom produzieren will oder nicht und das gilt natürlich auch für die Länder außerhalb der Europäischen Union.“ Zu der Förderung der ukrainischen Leitungen und deren Folgen will sie keine Stellung nehmen.

 

Ukraine nimmt immerhin an Stresstests teil

 

Rebecca Harms ist überzeugt, dass die Europäische Kommission weiterhin auf den traditionellen Energiemix aus Kohle und Atomkraft setzt und deshalb auch den Zukauf von Atomstrom aus der Ukraine befürwortet. Auch im Europäischen Parlament gibt es solche Stimmen. Der konservative polnische Parlamentspräsident Jerzy Buzek erklärte in einer Rede in Warschau im November 2010: „Wenn die Leitungen vorhanden sind, können wir Strom von außerhalb zukaufen. Ich denke dabei an ukrainischen und russischen Atomstrom.“ Ob es jemals dazu kommt, ist unklar. Die Leitungen werden derzeit gebaut. Mit ihrer Fertigstellung wird 2018 gerechnet.

 

Immerhin hat sich nun die Ukraine verpflichtet, an den Stresstests teilzunehmen, die die Europäische Union für alle Atomkraftwerke innerhalb der Union durchführen will. So kann vielleicht zumindest geklärt werden, ob die Reaktoren den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen.

 

Autorin: Ruth Reichstein


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