Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#newsletter    19 | 09 | 2018

Newsletter September 2018

Die vergangene Plenarwoche des Europäischen Parlaments war eine spannende, mit vielen wichtigen Debatten und Entscheidungen. Die Neuregelung von Klimaschutzzielen für Autos stand zur Abstimmung im Umweltausschuss, im Plenum hatten die Voten zur EU-Urheberrechtsreform und zur Einleitung eines Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn im Vorfeld für Nervosität gesorgt. Und dann hat Juncker in seiner letzten Rede zur Lage der Union einmal mehr seine Liebe zu Europa und die Verankerung der EU in der Geschichte dieses Kontinentes sehr überzeugend zum Ausdruck gebracht...

  1. CO2-Verordnung im ENVI
  2. EURATOM Forschungsprogramm
  3. EU Urheberrechtsreform
  4. Auslandsoperationen der Türkei
  5. Statusbericht der Atomindustrie (WNISR) 2018
  6. Zhadan-Buchpräsentation
  7. Termine

Liebe Freundinnen und Freunde,

Für mich fing die Straßburgwoche mit dem Umweltausschuss an: Dort stand die Neuregelung von Klimaschutzzielen für Autos zur Abstimmung. Im Ergebnis konnten wir den Vorschlag der EU Kommission zwar verschärfen, doch angesichts dessen, was technisch möglich und klimapolitisch notwendig wäre, ist das noch viel zu wenig.

Was mich besonders ärgert in dieser Debatte ist, wie bei Klimaschutz und Digitalisierung mit zweierlei Maß gemessen wird. Ich teile die Sorge um die Zukunft der Jobs in der Autoindustrie. Doch wenn man sich die Zahlen anschaut, bspw. die der ELAB 2.0-Studie, fällt einem auf, dass sie nicht zusammen passen mit den alarmistischen Unkenrufen von Konservativen und Gewerkschaftsvertretern in Brüssel und Berlin. So ist durch Produktivitätssteigerungen allein - ganz ohne einen Umstieg auf Elektromotoren - mit einem erheblichen Rückgang der Beschäftigung in der Antriebsfertigung zu rechnen. Darauf müssen wir Antworten finden und zwar eiligst. Aber doch nicht, in dem wir den Ehrgeiz beim Klimaschutz runterschrauben! Das wäre eine sehr kurzsichtige und falsche Reaktion.

Wichtig war dann die Entscheidung des EU-Parlaments für eine EU Urheberrechtsreform. Ich gehöre aus Sicht Grüner Netzpolitiker zu denen, die sich abtrünning verhalten haben und für neue Ansätze zum Schutz von Künstlern und Journalisten im digitalen Zeitalter gestimmt haben. Unsere Grüne Kollegin Helga Trüpel vertritt dieses Anliegen im Kulturausschuss schon lange. Nun hat auch eine große Mehrheit des Parlaments so entschieden, wohl auch wegen der Art und Weise, mit der wir als Abgeordnete vor den Voten digital zugedröhnt worden sind mit Unterstellungen, und wie Druck über “soziale” Medien ausgeübt wurde.

Eine zweite Abstimmung, der eine große Anspannung im Hause vorangegangen war, war die über ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn oder vielmehr gegen die Regierung Orbán. Am Ende waren es wohl die Reden Orbans selber, im Plenum und später nicht öffentlich bei der EVP Fraktion, die für die notwendige  2/3 Mehrheit sorgten. Und die auch bei Manfred Weber, CSU-Mann und Fraktionsvorsitzender der EVP, das Ja zum Artikel 7 Verfahren auslöste.

Auch wenn es richtig und konsequent war, so abzustimmen, ist das Votum für mich kein Grund zum Jubeln. Mich betrübt die Auseinandersetzung eher und ich sehe auch noch nicht, dass durch die bisherigen Konfrontationen mit Polen oder Ungarn eine Entwicklung zum Besseren erreicht wird. Ich denke, dass letztlich die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern, die wegen Rechtsstaatsverletzungen in der EU unter Druck geraten, selber die notwendigen Entscheidungen treffen und Korrekturen erreichen werden müssen. Was von Brüssel aus durchgesetzt werden kann, ist begrenzt.

Junckers Rede zur Lage der Europäischen Union war wertvoll (zum Nachhören). Auch wenn ich persönlich die Dinge manchmal anders sehe – zB beim Thema Zeitumstellung bzw. dem Verfahren, auf das er sich beruft – gelang es Juncker, seine Liebe zu Europa und die Verankerung der EU in der Geschichte dieses Kontinentes in Worte zu fassen, die jeder versteht.
 

Grüße. Rebecca

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1. CO2-Verordnung im ENVI
Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat für strengere CO2-Vorgaben bei Neuwagen gestimmt. Bis 2025 soll der CO2-Ausstoß neuer Pkw im Schnitt um 20 Prozent gegenüber 2021 sinken, bis 2030 um 45 Prozent. Die Europaparlamentarier stimmten zudem für eine höhere Quote emissionsfreier Autos sowie Verbrauchsmessungen auf der Straße. Damit wurde der ursprüngliche Kommissionsvorschlag zwar verbessert, doch bleiben wir weit von dem entfernt, was notwendig wäre, um die Klimaziele von Paris zu erreichen und die europäische Autoindustrie zukunftsfähig zu machen.
CO2-Verordnung: Ehrgeizige Ziele für saubere Autos, Pressemitteilung von Rebecca Harms, 11.09.2018
Schärfere Klimaziele für Autos, SZ online, 11.09.2018
EU-Parlamentarier wollen CO2-Ausstoß stärker reduzieren
MEPs fordern striktere CO2-Limits für Autohersteller, EurActiv, 11.09.2018
Der einsame Kampf der Autobauer, Wirtschaftswoche, 05.09.2018

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2. EURATOM Forschungsprogramm
Rebecca hat aus Protest gegen die rückwärtsgewandte Pro-Atom-Linie einer Mehrheit der Abgeordneten ihren Namen vom Bericht über das Europäische Atomenergie-Forschungsprogramm zurückgezogen. Sie wollte die Forschungsmittel auf die wachsenden Herausforderungen bei Nachrüstungen und Stilllegungen von Reaktoren sowie der Endlagerung von Atommüll ausrichten, statt weiter Geld für Forschung in neue Reaktortechnologien aus dem Fenster hinaus zu werfen. Der Rückbau von Atomreaktoren ist eine große technische Herausforderung und sehr teuer, wie man in Litauen sehen kann. Als Berichterstatterin zum EU Stilllegungsprogramm will Rebecca erreichen, dass die EU ihren geplanten Finanzbeitrag für das Kernkraftwerk Ignalina erhöht.
Euratom: Vergebene Chance zur Neuausrichtung der Atomforschung, Pressemitteilung von Rebecca Harms, 11.09.2018
Rebeccas Berichtsentwurf zum EU Hilfsprogramm für die Stilllegung von Ignalina
European Parliament's rapporteur proposes EUR 780 mln for Lithuanian N-plant closure, The Baltic Times, 18.09.2018

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3. EU Urheberrechtsreform
Das Europaparlament hat am letzten Mittwoch für eine umfassende Reform des europäischen Urheberrechts gestimmt. Künftig soll das copyright im Internet für Texte genauso gelten wie für Videos oder Musikstücke, dafür müssen Plattformen wie Google, Facebook und Youtube künftig sorgen (und dies nicht zwangsläufig durch automatische Filter). Dem Votum waren monatelange heftige Diskussionen und eine Mailflut an die Abgeordneten vorausgegangen.
Wegweisende Entscheidung – Europaparlament stimmt für Urheberrechtsreform, Pressemitteilung von Helga Trüpel, 12.09.2018
Ein guter Tag, FAZ.net, 13.09.2018

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4. Auslandsoperationen der Türkei
Bei der jüngsten Auslandsoperation der Türkei hat der türkische Geheimdienst gemeinsam mit den moldauischen Behörden sechs Lehrer, denen eine Nähe zur Gülen-Bewegung unterstellt wird, entführt und in Gewahrsam genommen. Amnesty International vermutet, dass sie in die Türkei abgeschoben werden sollen. Rebecca und weitere Abgeordnete forderten die moldauische Regierung auf, die Auslieferung sofort einzustellen. Der Vorfall erinnert an den in Georgien inhaftierten türkischen Lehrer Mustafa Emre Çabuk, der aufgrund der ihm unterstellten Verbindungen zur Gülen-Bewegung in Tiflis im Gefängnis sitzt.
EP members call on Moldovan government to stop deportation of Turkish teachers, Turkish Minute, 06.09.2018
Begegnungen mit und in Tiflis und der Fall Mustafa Emre Cabuk, Rebeccas Blog

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5. Statusbericht der Atomindustrie (WNISR) 2018
Es werden zurzeit mehr Atomreaktoren stillgelegt als neu gebaut und die Kapazität, die neue Reaktoren im letzten Jahr ans Netzt brachten, ist verschwindend klein im Vergleich zur globalen Entwicklung der Erneuerbaren Energien im gleichen Zeitraum. Dort, wo es Neubauprojekte gibt, könnten auch militärische Interessen ein Treiber sein. Diese militärischen Interessen, sowie die große und drängender werdende Herausforderung des Reaktor-Rückbaus, untersuchte der Statusbericht in diesem Jahr zum ersten Mal.
"Relevanz für die Atomkraft verschwindet langsam", Deutschlandfunk, 10.09.2018
World Nuclear Industry Status Report 2018: Atomindustrie weltweit weiter auf dem Rückzug, Pressemitteilung von Rebecca Harms, 04.09.2018

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6. Zhadan-Buchpräsentation
Serhij Zhadan präsentierte auf Einladung von Rebecca und MdEP Michael Gahler Anfang September in Brüssel sein neues Buch “Internat”. Der ukrainische Romancier, Dichter, Essayist und Gründer der Ska-Punk-Band "Hunde im Weltall" stammt aus der Region der jetzigen "Volksrepublik" Luhansk. Er war von Anfang an Aktivist der demokratischen Majdan-Revolution, sucht aber immer auch mit der anderen Seite das Gespräch. Wer verstehen will, was vier Jahre Krieg im Donbass für die Menschen und ihre Heimat bedeuten, muss sein neustes Buch lesen.
Zhadan, presenting book in Brussels, shows Donbas war in new light, Kyiv Post, 05.09.2018
„Internat“ – Roman, Serhij Zhadan, Suhrkamp 2018

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7. Termine
20.09.: Roundtable: Implementation of Anti-Corruption Reforms in Ukraine, Kyiv.
21.09.: Grüne Klimakonferenz im Vorfeld der COP24: Von Frankfurt nach Katowice, Frankfurt.
20.-22. 09.: „Die Macht der Atomkraft“, Karlsruher Atomtage 2018 mit u.a. Mycle Schneider, Jürgen Trittin und Rebecca Harms (am 21.09.).
28.09.: Vortrag & Podiumsdiskussion: Das "Projekt Europa" in Zeiten des Populismus, Forschergruppe Europäische Vergesellschaftung, Oldenburg.
01.-02.10.: Nuclear Transpareny Watch & Heinrich Böll Foundation: Radioactive Waste Governance Workshop, Berlin.
04.10.: “Anti-Authoritarian Activism in the US and Europe from ‘68 to Today”, Heinrich Böll Foundation & Georgetown University, conference, Washington D.C.
11.10.: “Freedom, independence and plurality of media in EaP countries”, workshop, Brussels.

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