Teil 1
Als ich am Freitag im Kongresszentrum Hannover ankam, dachte ich erst: hier bist du falsch. Ein Schild am Eingang wies den Weg zur Eon-Betriebsversammlung. Soweit ist es noch nicht, dass dort diskutiert würde, wie man den Atomaustieg durchsetzt. Aber zur gleichen Zeit am gleichen Ort trafen sich zweihundert Aktive aus dem DGB, IG Metall und von Verdi mit Umweltverbänden, Bügerinitiativen und Parteienvertretern um über Atomaustieg, verantwortbares Vorgehen bei der Lagerung von Atommüll und Energiewende zu diskutieren.
© Bettina Rid |
In großer Geschlossenheit traten die Versammelten für den ökolgischen Umbau der Industriegesellschaft ein. Nachhaltige Entwicklung mit dem Potential, nicht nur das Klima und die Umwelt zu schützen, sondern Arbeit zu schaffen, war die grosse Klammer der Debatten. Es hat mich hoffnungsfroh gestimmt, wie überzeugt die Gewerkschaften diese Themen aufgegriffen haben. Dass ökologische begründete Strategien aber ohne Einsatz für Gerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen nicht nachhaltig sein können, muss auch Voraussetzung für Umweltverbände und Politik sein. Mein Eindruck von gestern: es sind starke Allianzen gewachsen nicht nur gegen die Verlängerung von Laufzeiten der Atomkraftwerke. Der Aufbruch in ein Land, in dem Umwelt und Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung nicht als Gegensätze gesehen werden, das war die Idee, die Hoffnung, die gestern die Stimmung prägte . Wenn wir die Kooperation und den Geist der gestrigen Konferenz durchhalten, dann kann die Regierung Merkel mehr als die Laufzeitenverlängerung vergessen.
© Bettina Rid |
Nach der Saalveranstaltung in Hannover wird sich heute im Berliner Regierungsviertel zeigen, wie viele Bürgerinnen und Bürger diese Allianz auf die Straße bringen kann. Der Bahnhof Salzwedel war schon um 8 Uhr voll. Dabei fährt der Sonderzug zur Demo nach Berlin erst um zehn. Ich glaube das wird heute eine grosse Demo gegen Atomkraft und für die Sonne und andere risikoarme Energien!
Atomkraft nein danke.
Teil 2
Die Demo in Berlin war groß. Die FAZ schreibt, dass einige zehntausend Menschen daran teilgenommen haben. Wer dabei war und und den kilometerlangen, nicht endend wollenden breiten Zug vom Hauptbahnhof über die Friedrichstraße, durchs Regierungsviertel und wieder zurück zum Hauptbahnhof gesehen hat – und miterlebt hat wie voll die Straßen mit Demonstranten waren, glaubt eher an die Zahlen der Veranstalter, die angeben, dass es mehr als 100.000 Teilnehmer waren.
© Bettina Rid |
Besonders vielversprechend fand ich die breite Beteiligung der Bevölkerung. Der Protest zog sich quer durch die Generationen und durch politische und gesellschaftliche Gruppen. Nicht nur die Oppositionsparteien, DGB, Verdi und die IG- Metall waren präsent und zeigten zeigten ihre Transparente. Man traf auch auf CSU-ler und versprengte FDP-ler. Die erste Gewerkschaftsgruppe, die ich sah, war eine Jugendgruppe der IG BCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie).
© Bettina Rid | © Andreas Schoelzel |
Aktivisten aus der Anti-Atom-Bewegung hegen Zweifel an der Belastbarkeit der Aussagen aus den Parteien. Ich denke, dass wir die Spitzenpolitiker der Parteien, die den Ausstieg aus der Atomkraft im Programm haben, gar nicht oft genug öffentlich und nachvollziehbar auf den Ausstieg festlegen können. Je öfter Sigmar Gabriel sagt, Gorleben sei als Endlager verbrannt, desto besser.
© Rebecca Harms |
© Bettina Rid |
Sehr viele der Demonstranten haben am Sonnabend versprochen im November zu den Protesten anlässlich der Castortransporte ins Wendland zu kommen. Der Weiterbau des Endlagers wird wohl in dieser Woche genehmigt werden. Auch gegen diese Entscheidung muss es massenhaften Protest geben. Also jetzt schon fest in den Kalender eintragen: 6. November Gorleben- Demo!
Protest und die Kultur des Protestes war Thema am Sonntagabend in Hannover auf dem Ballhofplatz. Die Künstler vom Schauspiel Hannover haben dort Holzhütten, einen Ü-Wagen von Radio Flora, eine Volxküche und eine Bühne aufgebaut. Es treffen sich Zeitzeugen der Republik Freies Wendland und junge Aktivisten, die gegen Gentechnik, Atomkraft oder auch Autobahnen angehen.
Es hat sich viel verändert seit wir 1980 das Hüttendorf im Gartower Forst aufgebaut haben. Deutschland hat sich verändert. Ein Staatstheater, das die Hütten aufsucht, hat es damals bestimmt nicht gegeben. Mir hat es Spaß gemacht. Mit Hannah Poddig muss ich noch weiter diskutieren über Radikalität, Bündnisse und Gewaltlosigkeit. Die Gespräche im Ballhof haben wieder gezeigt, wie wichtig der Austausch und das Gespräch über Ziele und Wege und die Kultur von Protest ist.