Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3.Mai habe ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament in Brüssel eine Ausstellung gezeigt, die den eingekerkerten Journalisten und Schriftstellern in der Türkei gewidmet ist.
In Deutschland ist Deniz Yücel heute einer der bekanntesten Journalisten. Das ist gut, denn er ist ein sehr guter Journalist. Und doch ist der Grund für seine Bekanntheit eine sehr traurige Sache. Er ist heute berühmt, weil er in der Türkei ins Gefängnis geworfen wurde. Trotz großer internationaler und türkischer Solidarität, trotz der Bemühungen selbst der Bundesregierung sitzt er jetzt seit zwei Monaten im Knast. Er ist einer von über 160 Journalistinnen und Journalisten, die in der Türkei hinter Gittern sind, weil ihre Meinung oder die Zeitung oder der Sender, für den sie arbeiten, dem Präsidenten der Türkei nicht passen. Der Versuch, die Presse gleichzuschalten hat in der Türkei lange vor dem gescheiterten Coup begonnen. So richtig es wäre, den Coup aufzuklären und Verantwortliche in rechtsstaatlichen Verfahren zur Rechenschaft zu ziehen, so falsch ist die Massenverfolgung von Journalisten und anderer großer Gruppen der türkischen Gesellschaft.
Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3.Mai habe ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der sozialdemokratischen, der liberalen und der grünen Fraktion im Europaparlament in Brüssel eine Ausstellung gezeigt, die den eingekerkerten Journalisten in der Türkei gewidmet ist. Sie soll den Männern und Frauen ein Gesicht geben, die zum Teil seit über 9 Monaten im Gefängnis sind. Sie verdienen und brauchen alle so viel Aufmerksamkeit wie Deniz Yücel. In der Ausstellung "Expression interrupted" stellen wir 30 von ihnen vor.
Unser Freund aus Istanbul, der Journalist Andrew Finkel, hat in Brüssel eine bewegende Rede gehalten.
Zu den Anklagen gegen die Journalisten, von denen er viele kennt, sagte er: „Sie sind keine Menschen, die auf Grund eines schrecklichen Verbrechens verurteilt worden sind. Tatsächlich sind die meisten von ihnen für gar nichts verurteilt worden. Die meisten von ihnen haben Monat für Monat hinter Gittern verbracht, ohne auch nur die Anklage eines Staatsanwaltes zu sehen. Wenn die Anklagen endlich vorgelegt werden, beruhen sie auf unverschämten Behauptungen und Unterstellungen. Manche Anklageschriften kopieren und verwenden Vorwürfe aus anderen Fällen. In manchen Fällen hat der Staatsanwalt dann sogar vergessen den Namen zu ändern. Man muss ehrlicherweise sagen, dass die Vorwürfe so banal sind, dass es peinlich wird.“
Und zu der Auswahl, die wir mit der Ausstellung getroffen haben, sagte Andrew Finkel: „Diese Ausstellung will die Aufmerksamkeit nicht auf bestimmte Standpunkte oder Meinungen lenken. Es gibt unter den Porträtierten mindestens so viele Ideen, wie es hier Rollup-Poster gibt. Kein einziger dieser Standpunkte ist von der Verfolgung ausgenommen. Es gibt kurdische Nationalisten, türkische Nationalisten, Liberale, Konservative, Männer und Frauen, die schon über 70 Jahre oder erst über 20 Jahre alt sind. Linke, Rechte, Atheisten, Agnostiker und Menschen mit tiefer religiöser Überzeugung sind dabei. Es gibt diejenigen, die spannende Prosa schreiben, die mit Ideen und Beobachtungen aufwarten, die wir selbst nie hatten und niemals machen könnten. Und um ehrlich zu sein, gibt es ein paar, die vielleicht etwas vorhersehbar sind oder die vielleicht ein bisschen zu gerne ihre eigene Stimme hören. Der Moment dieser Ausstellung ist vermutlich das einzige Mal in ihrem ganzen Leben, dass sie sich im selben Raum zusammenfinden - auch wenn das nur in Rollup-Form ist.“
Zu Gast bei uns im Europäischen Parlament war auch die Frau des Karikaturisten Musat Kart, der bis zu seiner Verhaftung für Cumhuriyet gearbeitet hat. Uns war zum Heulen zu Mute, als sie uns erzählte wie schwer es sei, dem Enkel von Musa den Schrecken der Situation zu ersparen. Die Schriftstellerin Asli Erdogan, eine vielfach preisgekrönte Frau von 50 Jahren, war uns über Skype zugeschaltet. Sie wollte, aber durfte nicht nach Brüssel reisen. Aus dem Gefängnis kam sie frei. Die Türkei aber darf sie nicht verlassen, weder auf Einladung aus dem Europäischen Parlament noch zur Verleihung des Princess Margriet Award for Culture, den sie in dieser Woche in Amsterdam entgegennehmen sollte. Asli Erdogan und Sevinc Kart haben uns klar gemacht, wie schlimm es ist, dass man heute in der Türkei sehr mutig sein muss, um zu sagen was man denkt.
Die Frage, mit der uns die Ausstellung konfrontiert, lautet: Wie können wir diese Journalisten aus den Gefängnissen holen? Zusammen mit Reporter ohne Grenzen und anderen Journalisten-Verbänden werden wir uns weiter für die Freiheit der Journalisten in der Türkei einsetzen. Wir werden versuchen, die Beobachtung von Prozessen in der Türkei wahrzunehmen. Wir werden versuchen, Geld für die Verfahren aufzutreiben. Nicht wundern, wenn demnächst ein Spendenaufruf kommt. Wir setzen uns dafür ein, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte endlich ein Pilotverfahren zum Beispiel für die Brüder Ahmet und Mehmet Altan eröffnet.
Die Ausstellung kann jetzt bei uns ausgeliehen werden. Sie ist einfach aufzubauen. Wer sie zeigt, sollte dann zu der Spendenaktion beitragen. Kosten macht nur der Versand der Aufsteller.
Unsere Diskussion in Brüssel beschränkt sich natürlich nicht auf die schlimme Lage der Journalisten und das Ende der Meinungsfreiheit in der Türkei. Zehntausende türkische Bürger sind eingesperrt, zehntausende Männer und Frauen haben ihren Job und ihr Einkommen verloren. Tausende von Familien leben getrennt durch Gefängnis oder Flucht und in Angst. Die Massenverfolgung und Kriminalisierung hat Richter und Anwälte, Lehrer und Akademiker, Polizisten und Soldaten und oppositionelle Politiker getroffen. Präsident Erdogan führt sein Land weg von der EU. Es bleibt eine schwierige Aufgabe, die Beziehungen zur Türkei zu klären. Aber eines muss klar sein: für diejenigen, die wie die Journalisten in die Mühlen einer Unrechtsjustiz geraten sind, müssen wir alles tun, was in unserer Kraft steht.