Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#klimapolitik    19 | 03 | 2014
Blog

EU auf dem falschen Klimapfad

Ende der Woche werden Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammen kommen und die Klima und Energieziele für 2030 für die EU diskutieren. Da der Widerstand gegen ehrgeizige Festlegungen zu Klimaschutz, dem Ausbau der Erneuerbaren und zur Energieeinsparung in einigen Mitgliedsstaaten sehr groß ist, ist zu befürchten, dass der Gipfel keine guten Ergebnisse bringt. In dieser Situation erscheint es vielen so, als sei die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen fast unrealistisch ehrgeizig gewesen. Doch wenn man sich diese Vorschläge mal genauer anschaut, wird schnell klar, dass auch die EU-Kommissionsvorschläge weit von dem entfernt sind, was eigentlich notwendig wäre.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimawandel auf zwei Grad begrenzen zu wollen. Das bedeutet, dass uns bis Ende des Jahrhunderts nur noch ein begrenztes CO2-Budget zur Verfügung steht. Ecofys kam in seiner Analyse des EU-Kommissionsvorschlags zu dem Ergebnis, dass die EU, wenn sie, wie die EU-Kommission es vorschlägt, den CO2-Ausstoß bis 2030 nur um 40% verringert, danach ihren Klimaausstoß extrem schnell verringern müsste. Die Zielkombination, die die Grüne/EFA-Fraktion vorschlägt (60% Emissionsminderung, 45% Erneuerbare, 40% Energieeinsparung) erlaubt, laut Ecofys, einen sanfteren Umbau der europäischen Wirtschaft und erhöht die Chancen, das Zwei Grad-Ziel erreichen zu können.

Auch das Erneuerbarenziel hat Ecofys unter die Lupe genommen. Der Erneuerbarensektor ist seit 2000 jährlich um etwa 5% gewachsen. Nach 2020 traut die EU-Kommission ihm aber nur noch Wachstumsraten von 1-1,5% zu. Wir Grüne glauben aber, dass auch über 2020 hinaus gesundes Wachstum für den Sektor möglich ist. Nur mit ehrgeizigen Festlegungen kann auch das Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen, das der grüne Sektor bereithält, ausgeschöpft werden.

Es scheint schon fast wie eine Nebensächlichkeit, dass die EU-Kommission ein Erneuerbarenziel vorschlägt, das lediglich auf EU-Ebene verbindlich sein soll. Die Folgen sind aber groß, wie eine rechtliche Analyse der Anwaltskanzlei Becker Büttner Held zeigt. Der Ausbau der Erneuerbaren kann nur in den Mitgliedsstaaten von den Mitgliedsstaaten vorangetrieben werden. Die EU hat weder die Mittel noch die Möglichkeiten, dies selber in die Hand zu nehmen. Doch ohne national verbindliche Ziele hat die EU-Kommission keinerlei Handhabe, Mitgliedsstaaten dazu zu bewegen auch in Zukunft auf Erneuerbare zu setzen. Die Kohle- und Atomfreunde unter den Mitgliedsstaaten können also auch in Zukunft auf dreckige Risikotechnologien setzen.

Bei jeder Debatte über zukünftige Klima- und Energiepolitik übertönen die Klagen der energieintensiven Industrie fast alle anderen Argumente. Doch was ist eigentlich dran an der Behauptung, dass die Industrie fürchterlich unter den Klimavorgaben der EU leidet und deshalb global nicht mehr wettbewerbsfähig ist? Dieser Frage ist das IZES-Institut für uns nachgegangen. Für den Stahlsektor stimmt das schon mal nicht. Zwischen 2008 und 2012 haben einige Stahlunternehmen sogar Milliarden Zusatzgewinne gescheffelt, da ihnen großzügig freie Emissionszertifikate zugeteilt wurden. Darüber hinaus haben sie massenhaft billige internationale Kredite eingekauft und sind damit mitverantwortlich für das Überangebot an Zertifikaten, das den Emissionshandel zerstört. Es ist richtig, dass der europäische Stahlsektor unter der zurückgegangenen Nachfrage leidet und deshalb große Überkapazitäten aufweist. Doch das liegt nicht etwa an einer zurückgegangenen globalen Wettbewerbsfähigkeit, sondern an der krisenbedingt geringen Nachfrage nach Stahl in der EU. Eine europäische Energiewende würde hier wieder Schwung verleihen, denn für den Bau von Windanlagen und Stromleitungen brauchen wir Stahl.

Zu guter Letzt sollte die EU angesichts der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine ein großes Interesse daran haben, ihre Abhängigkeit von Russischen Energieimporten zu verringern. Mit ehrgeizigen Zielen zur Energieeinsparung und zum Ausbau der Erneuerbaren könnte die EU hier viel erreichen. Diese Vorgaben würden die Gasimporte um 100 Millionen Tonnen Ölequivalent reduzieren. Das entspricht ungefähr der Menge, die wir aus Russland importieren.

Drei ehrgeizige verbindliche Ziele für 2030 sind gut für das Klima, gut für zukunftsfähige Beschäftigung und gut für die Verringerung der Importabhängigkeit der EU.

Alle Materialien sind unter folgendem Link zu finden: http://stopclimatechange.net/faq/de/

 

Bild: Jan Boedeker


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