Meine jüngste Reise außerhalb der Europäischen Union führte mich nach Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldau. Als Vorsitzende von Euronest, der parlamentarischen Versammlung von Abgeordneten aus dem Europaparlament und Kolleginnen und Kollegen aus Armenien, Aserbaidschan, Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine leitete ich zusammen mit meinem moldauischen Ko-Präsidenten Marian Lupu unsere Vorstandssitzung. Da auch die parlamentarische Delegation des Europäischen Parlaments mit der Republik Moldau in Chisinau tagte, stand doch die Republik Moldau im Zentrum. Etliche Regierungsmitglieder nahmen an unserer Delegationssitzung teil. Deshalb zunächst dazu.
Seit einiger Zeit hält uns ein Interview des im November letzten Jahres gewählten Präsidenten Dodon in Schwung. Der hatte vor einigen Wochen erklärt, von den EU-Mittel, die die Republik Moldau aus Brüssel erhalten habe, „sei mindestens die Hälfte in dunklen Kanälen verschwunden“. Es handelt sich dabei um Makrofinanzhilfen der EU an die Republik Moldau in Höhe von 782 Millionen Euro im Zeitraum von 2007 bis 2015. In Brüssel hat sich der Haushaltskontrollausschuss dieser Vorwürfe angenommen. Die Mitarbeiter der Kommission sind angehört worden und demnächst wird unser EU Botschafter in der Republik Moldau ebenfalls in den Ausschuss kommen. Präsident Dodon, und das habe ich in Chisinau noch einmal unterstrichen, würde gut daran tun, uns genauere Information zu den "dunklen Kanälen" zu geben. Er müsste das präzisieren können, denn er war in dem Zeitraum, für den die Anschuldigung gilt, zeitweise selber Regierungsmitglied. Bisher ist das Fazit: Weniger als die Hälfte des Geldes, nämlich 363 Millionen Euro, wurde in besagtem Zeitraum abgerufen, das übrige Geld ist noch nicht abgerufen und somit von der EU Kommission noch gar nicht ausgezahlt worden. Das Europäische Parlament hat mehrheitlich gefordert, weitere Auszahlungen aus der Makrofinanzhilfe zunächst zu verzögern, um die Anschuldigungen aufzuklären. Wir wollen nicht als Komplizen von Korruption in einem Land dastehen, dass seinen größten Korruptionsskandal bis heute nicht aufgeklärt hat.
In der Republik Moldau ist im Jahr 2014 eine Milliarde US-Dollar aus dem Budget des Landes gestohlen worden. Es ist seit langem eine Untersuchung im Gang. Die international tätige Kanzlei Kroll ist eingeschaltet, um eine unabhängige Aufklärung zu gewährleisten. Aber die Untersuchung kommt und kommt nicht zu einem Abschluss. Für die Bürger der Republik Moldau ist das bis heute der größte Skandal seit der Unabhängigkeit. Erst der Milliarden-Raub. Und dann die Unfähigkeit diesen Fall aufzuklären. Für mich steht fest, dass finanzielle Vergabe von Mitteln an die Assoziierungs- oder Euronest-Staaten transparent und zuverlässig sein muss. Die EU muss als eine Kraft erkennbar sein, die in den Staaten in Osteuropa, mit denen wir zum Teil sehr eng verbunden sind, für den Kampf gegen Korruption eintritt. Und das muss auch für die eigenen Mittel und die Kontrolle darüber gelten.
Die Debatte über die Situation in der Republik Moldau passt natürlich auch zu den Auseinandersetzungen, die wir mit den ukrainischen Kolleginnen und Kollegen aus dem Parlament, der Regierung und der Präsidialverwaltung zur Zeit über Korruptionsbekämpfung führen. Für mich zeigen die Erfahrungen aus dem letzten Winter in Rumänien, worauf wir bestehen müssen. Die Proteste in Bukarest haben dazu geführt, dass eine Amnestie für Korruption gestoppt wurde. Und die Proteste und der Erfolg haben uns gezeigt, wie wichtig eine funktionierende und politikferne unabhängige Anti-Korruptionsbehörde ist. Meine Erfahrung ist die, dass die Bürger nicht nur im EU-Mitgliedstaat Rumänien sondern auch in den östlichen Nachbarländern von der EU und von uns Abgeordneten erwarten, dass wir uns für die Korruptionsbekämpfung stark machen. Es wird nicht als Einmischung von außen verstanden, sondern als Unterstützung dessen, was die Leute von der EU erwarten. Die Bekämpfung der Korruption ist nicht der einzige wichtige Schritt. Aber ohne die Bekämpfung der Korruption sind andere Ziele in zentral- und osteuropäischen Staaten schwer zu erreichen.
Innerhalb der Euronest-Versammlung wird es jetzt mehr Austausch über die Reformen und die damit verbundenen Probleme geben, mit besonderem Augenmerk auf die Situation in unseren drei Assoziierungsländern: Georgien, die Republik Moldau und die Ukraine. Neben der Korruptionsbekämpfung stehen die Justizreformen, die Mediengesetzgebung und die Wahlrechtsreformen an. Zusammen mit meinem Kollegen Marian Lupu werde ich unsere Sicht auch beim Außenministerrat der EU zu den östlichen Partnerschaftsländern in Luxemburg am 19. Juni vortragen. Für den Herbst stehen zwei wichtige Veranstaltungen an. In Kiew wird die parlamentarische Versammlung von Euronest tagen. Und am 24. November findet der nächste Gipfel zur östlichen Nachbarschaft in Brüssel unter der estnischen Ratspräsidentschaft statt.
Gemeinsam gerade mit den osteuropäischen Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament sehe ich die Bedrohung durch Russland seit der Besetzung der Krim und dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine. Der Gipfel wird sich mit weiteren EU-Strategien zur Sicherheit in der EU und der östlichen Nachbarschaft befassen. Zu der Auseinandersetzung um das Minsker Abkommen und der Notwendigkeit der Sanktionen der EU demnächst mehr. Die Ukraine braucht weiter eine klare geschlossene EU. Aber richtig bleibt auch, dass der Kampf gegen die Korruption ebenfalls ein Kampf für Sicherheit und bessere Zukunft ist. Ein großes Interesse Putins und seines Clubs von Oligarchen ist, dass die Ukrainer dabei scheitern. Im Kleinen können die Folgen solchen Scheiterns in Mazedonien oder in der Republik Moldau besichtigt werden. Wem die EU als Komplize der korrupten Eliten gilt, der wendet sich als Wähler auch mal wieder gen Moskau.