Eine große Mehrheit der deutschen Bürgerinnen und Bürger lehnt die Nutzung der Atomenergie ab. Die Gefahr einer Atomkatastrophe wie in Tschernobyl oder Fukushima und das ungelöste Atommüllproblem stehen dabei im Vordergrund. Die Entscheidung in Deutschland aus der Atomenergie auszusteigen hat einen jahrzehntelangen Konflikt befriedet, doch die atomaren Gefahren sind deshalb noch nicht gebannt. Die Energiewende in Deutschland wird schon wieder gebremst. In einigen Nachbarstaaten setzt man weiter auf Atomkraft. Zwar will Frankreich seine Reaktorflotte verkleinern, doch der größte europäische Atomstaat wird noch lange zahlreiche Reaktoren betreiben. Tschechien plant einen Ausbau seines Atomprogramms mit fünf neuen Reaktoren. In Belgien sollen die Pannenmeiler in Doel und Tihange noch viele Jahre am Netz bleiben.
Die atomare Gefahr macht nicht an Landesgrenzen Halt. Deshalb muss der Atomausstieg europaweit vorangetrieben werden. Zu diesem Thema hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, zusammen mit den Kreisverbänden der betroffenen Regionen, Kollegen aus Land- und Bundestag und Umweltverbänden eine Veranstaltungsreihe geplant. An verschiedenen Orten werden die Konflikte und spezifische Probleme der Atomreaktoren an den Grenzen aufgegriffen und es wird für die Energiewende geworben.
Tihange
Etwa 80 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt steht das belgische Atomkraftwerk Tihange. Es besteht aus drei Druckwasserreaktoren, die zwischen 1975 und 1985 in Betrieb gingen. Sie sollen noch bis 2023 bzw. 2025 laufen. Im letzten Jahr machte insbesondere Reaktor 2 von sich Reden. Er musste im September 2012 abgeschaltet werden, nachdem mehr als 2000 Risse im Reaktordruckbehälter entdeckt wurden. Es ist unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, ob die Risse bereits bei der Herstellung des Druckbehälters entstanden sind, ohne den Behälter zu beschädigen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Risse durch den Betrieb entstanden oder größer geworden sind. Dennoch gab die belgische Atomaufsichtsbehörde im Mai 2013 grünes Licht für den weiteren Betrieb des Reaktors. Seit Juni ist Tihange 2 wieder am Netz. Welche Gefahr davon ausgeht, weiß niemand genau.
Temelin
In Tschechien steht 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt das AKW Temelin. Die zwei Reaktoren sind ein Mix aus russischer Reaktortechnik und US-amerikanischer Leitungstechnik. Der erste Reaktor ging im Oktober 2000 ans Netz. Schlamperei am Bau, Korruption und häufige Störfälle befeuern den Protest in Österreich und Deutschland, aber auch in Tschechien selber. Insbesondere die Schweißnaht 1-4-5 macht Sorgen. Wegen unautorisierter Nachbesserungen an dieser Naht, die direkt am Druckbehälter starken Druck aushalten muss, hat Greenpeace eine Klage eingereicht. Die Tschechische Regierung plant trotzdem den Ausbau des AKWs. Zwei weitere Reaktoren sollen am Standort entstehen. Die Wirtschaftlichkeit von weiteren Reaktoren ist fraglich und schon jetzt ist der Widerstand in Deutschland und Österreich groß - nicht zuletzt wegen unzureichender Beteiligung an der Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt.
Fessenheim
Nur etwa einen Kilometer von der deutschen Grenze entfernt steht das französische Atomkraftwerk Fessenheim. Die zwei Druckwasserreaktoren gingen 1977 in Betrieb. Fessenheim ist damit das älteste AKW im französischen Netz. Das Atomkraftwerk steht in einem Erdbebengebiet und könnte, wenn es zu einem Dammbruch am Rhein käme, auch überschwemmt werden. Insbesondere nach der Katastrophe von Fukushima ist das ein erschreckendes Szenario. Die radioaktive Kontaminierung des Rheins und eines großen unter dem Kraftwerk gelegenen Trinkwasserreservoirs wären die Folge. Im Herbst 2011 forderte auch die französische Atomaufsicht Nachbesserungen bei der Erdbebensicherheit des Kraftwerks. Unter anderem soll die Bodenplatte verstärkt werden, die mit nur 1,5 Metern Dicke dünner ist als in jedem anderen französischen Kraftwerk. Zum Vergleich: Die Bodenplatte des in Fukushima havarierten Kraftwerks war sieben Meter dick.Die derzeitige französische Regierung entschied, Fessenheim 2016 stillzulegen.
Termine
4. September 2013
18 Uhr, Aachen, Grenzübergang Köpfchen: Aktion mit belgischen Grünen ECOLO "Tihange 2 vom Netz nehmen"
19 Uhr, Aachen, Kulturzentrum KuKuK: Diskussionsrunde "Atomausstieg macht Klimaschutz möglich"
8. September 2013
10 Uhr, Marktredwitz, Hotel Meister Bär: Besichtigung des Zwischenlagers für mittelradioaktiven Müll in Mitterteich und weiteren „Atomorten“ in der Region
10. September 2013
17 Uhr, Breisach, Grenzbrücke: Demonstration und Kundgebung auf dem Neutorplatz
14. September 2013
Internationale Konferenz: STOPPT TEMELIN
9 Uhr, Infozentrum AKW Temelin: Besuch des AKW (Anmeldung erforderlich)
ab 14:30 Uhr, Konferenz im Park Hotel Hluboka