Rebecca Harms

Mitglied des Europäischen Parlaments in der Grünen/EFA Fraktion 2004-2019

#euro    26 | 09 | 2012

Dossier zur Eurokrise

Mal schwelt, mal glimmt, mal brennt es lichterloh. Seit 2008 versucht die Europäische Union den Flächenbrand Eurokrise einzudämmen. Doch bislang kommen alle Löschversuche spät, zögerlich und haben uns höchstens kurze Atempausen verschafft. Getrieben von den Finanzmärkten, in die Ecke gedrängt von Ratingagenturen bleibt es bei hilflosen Löschversuchen. Es fehlt der Wille der Staats- und Regierungschefs, die brennenden Probleme gemeinsam anzugehen und haushaltspolitische Versäumnisse nachzuholen. Die Regierenden haben durch die Rettungspakete Zeit gewonnen, aber konnten sie nicht für sinnvolle Reformen nutzen (einige Pressemitteilungen und Videos dazu: Fortschritte beim EU-Gipfel - aber ist das genug?, In großer Not wieder nur das Allernotwendigste entschieden, Kurze Atempause in der Eurozonenkrise - Jetzt verantwortlich handeln).

 

Die Entscheidung von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), zum Staatsanleihenkauf von Euro-Krisenländern ist wieder so ein Fall. Weil die politisch Verantwortlichen nicht im Stande sind für nachhaltige Lösungen zu sorgen, war die EZB zum Handeln gezwungen. Sie wird damit in die Rolle des Staatsfinanziers gedrängt, wo doch ihre Aufgabe allein die Geldpolitik sein sollte (mehr dazu im Interview mit dem Deutschlandfunk und in der Pressemitteilung von Sven Giegold).

 

Wie machen wir den Euro langfristig wieder stabil? Die EU braucht eine verlässliche Strategie, die der Rat beschließen muss. Wir Grüne kämpfen dafür, dass sie folgendes beinhaltet: eine Bankenunion, die auch deutsche Landesbanken, Sparkassen und in sinnvollem Maße V&R Banken umfasst. Dabei muss aber sichergestellt werden, dass bestehende Mechanismen (v.a. bei der Einlagensicherung) nicht durch EU-Regelungen "gedoppelt" werden. Sparkassen und Volksbanken sollen schließlich nicht in ihre eigenen Sicherungsfonds und auch noch in das EU-System einzahlen müssen. Sie sollen auch nicht für Spekulationen der Groß-und Investmentbanken einstehen müssen. Die Trennung von Investment- und Privatkunden- Bankengeschäft begrüßen die Grünen ebenfalls.

Die Bankenunion ist auch als Aufsichtsmechanismus mit Abwicklungsrecht unter demokratischer Kontrolle des Europäischen Parlaments wichtig. Ebenso fordern wir gemeinsame europäische Anleihen (Eurobonds), einen ökologisch nachhaltigen Investitionsplan, die Finanztransaktionssteuer und einen europäischen Steuerpakt. Der Pakt muss dafür sorgen, dass die grundsätzlich richtige Haushaltskonsilidierung nicht vorrangig ausgabeseitig erfolgt. Stattdessen müssen gerade die großen Vermögen gezielt zum Abbau der Staatsverschuldung herangezogen werden. Um die Zinslast in den Schuldnerstaaten zu drücken und Vertrauen in den Erhalt des Euro herzustellen, ist es auch sinnvoll, einen Altschuldentilgungsfonds einzurichten. Dies empfehlen die Deutschen Wirtschaftsweisen und auch im Europaparlament plädiert eine große, fraktionsübergreifende Mehrheit dafür.

 

Bei alldem geht es nicht um 'mehr Europa' gegen 'weniger Demokratie', sondern um den Unterbau des Euro. Es geht darum, nachzuholen, was der Europäisch Rat seit der Einführung des Euro versäumt hat: nämlich auch eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Fiskalpolitik voranzutreiben und die Instrumente zu entwickeln, um diese Politik durchzusetzen und demokratisch zu kontrollieren. Und es geht darum, dass die Krisenrettung nicht vor allem die vielen kleinen, zuverlässigen Steuerzahler belastet. Es darf nicht sein, dass die EU Banken rettet oder Gewinne aus Immobilienspekulationen sichert und gleichzeitig in Griechenland die medizinische Versorgung zusammenbricht und Bauarbeiter und Jugendliche in Spanien ohne berufliche Perspektive bleiben.

 

Die Beispiele zeigen es: Bei der Bekämpfung der Eurokrise geht es schon lange nicht mehr nur um die Rettung unserer gemeinsamen Währung. Es geht um viel mehr. Die ganze Idee einer Europäischen Union ist bedroht. All das, wofür die Europäische Union steht, steht auf dem Spiel: Frieden, Freiheit, Demokratie, Stabilität, Wohlstand und hohe Sozialstandards. All das, was wir Europäerinnen und Europäer für so selbstverständlich halten, könnten wir verlieren, wenn die Eurozone auseinanderbrechen sollte.

 

Die Krise ist Gift für die Entwicklung der Europäischen Union – sie lässt die Nationalstaaten auseinanderdriften, statt weiter zusammenzuwachsen. Wo bringt uns das hin? Zurück ins nationale Einerlei? In die vermeintliche Überschaubarkeit des Nationalstaats? Scheitert jetzt das Projekt Europa?

 

Kein Land allein ist immun gegen die Krise. Nicht aus Hilfsbereitschaft, sondern für die Stabilität jedes einzelnen Nationalstaats in der EU ist der europäische Zusammenhalt entscheidend. Auch Deutschland braucht den gemeinsamen, europäischen Binnenmarkt um weiter erfolgreich produzieren und exportieren zu können. Deshalb müssen wir gemeinsam gegen die Wirtschaftskrise ankämpfen und in der gesamten EU nachhaltige Entwicklung und dauerhafte Arbeit sichern. Die EU muss weiterhin für Freiheit und Demokratie, aber auch für Chancen auf gute Lebensbedingungen stehen. Vor allem die Jugendlichen dürfen ihren Glauben an die Chancen, die ihnen die Europäische Union bietet, nicht verlieren.

 

Um Demokratie und Transparenz in der EU zu stärken und auszubauen, wollen wir Grüne einen Europäischen Konvent. Wir müssen Lösungen finden um die Macht in der EU zu teilen, Bürger leichter und mehr teilhaben zu lassen und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Niemandem ist geholfen, wenn Macht zwischen den Regierungen im Europäischen Rat versickert. Ein solcher Konvent wird den kurzfristig notwendigen Lösungen der Eurokrisen einen Kompass zur Hand geben.

 

Im Anschluss finden Sie alle meine Pressemittelungen, Artikel, Blogartikel, Interviews und Videos zur Eurokrise. Außerdem eine Liste mit allen Beschlüssen der Fraktion die Grünen/EFA im Europäischen Parlament, der Partei Bündnis 90/Die Grünen und weitere interessante Materialien zum Thema.

 

 

Weitere Materialien zur Eurokrise:

 

 

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